Marathon Hitzschlag droht auch bei niedriger Umgebungstemperatur
Beim Halbmarathon bricht ein 32-Jähriger nach etwa zwei Dritteln der Strecke zusammen. Die Erstversorger vor Ort beschreiben ihn als desorientiert mit beidseitiger Mydriasis, außerdem ist er hypoton, tachykard und hypoglykämisch, dementsprechend geben sie ihm Kristalloide und Glukose. Da Zuschauer „zuckende Bewegungen“ beobachtet hatten, erhält er außerdem Midazolam. Doch der Zustand verbessert sich nicht, weshalb der Mann unter Volumensubstitution im Schockraum der Medizinischen Klinik des Spitals Uster landet.
Blutdruck unten, Herz rast, Temperatur bei 39,9 °C
Die Kollegen dort finden einen komatösen Patienten mit nun zwar normalem Blutzucker vor. Doch der Blutdruck liegt bei 92/50 mmHg, die Herzfrequenz bei 105/min und das Ohrthermometer zeigt 39,9 °C. Die Ehefrau gibt an, ihr Mann sei gesund, nehme weder Drogen noch Medikamente und habe vor wenigen Wochen erst einen Bergmarathon absolviert. Die kardiovaskuläre Familienanamnese bleibt leer, schreiben Dr. Salomon Manz von der Abteilung für Medizinische Disziplinen und Kollegen.
Wegen der fehlenden Schutzreflexe des Komatösen intubieren ihn die Ärzte und veranlassen ein Rundum-CT. So können sie Blutungen, Schädelfrakturen, Aortendissektion und Lungenembolie ausschließen. Letztendlich lautet die Verdachtsdiagnose „belastungsinduzierter Hitzschlag“. Das passt zum Labor mit massiv erhöhten Werten von CK und Myoglobin. Auch die Niere hat bereits mit einem Kreatininanstieg auf die Rhabdomyolyse reagiert. Das Troponin liegt zwar ebenfalls oberhalb der Norm, bei unauffälligem EKG sehen die Schweizer das aber im Rahmen des Gesamtbildes sowie als Zeichen der körperlichen Belastung.
Sie greifen zu Coolpacks und verabreichen weiter intravenöses Volumen (Ringer-Laktat). Schon am nächsten Tag ist der Sportler orientiert, kann sich an das Ereignis selbst aber nicht erinnern. Nach vier Tagen unter klinischer und laborchemischer Überwachung darf er wieder nach Hause.
Ein solcher belastungsinduzierter Hitzschlag kommt vermutlich häufiger vor als gedacht, resümieren die Mediziner. Im Gegensatz zur klassischen Variante betreffe er aber selten ältere Menschen, sondern meist junge gesunde Sportler, die über ihre Belastungskapazität trainieren. Auch wenn das Krankheitsbild oft mit hoher Außentemperatur assoziiert ist, in diesem Fall hatten bescheidene 20 °C ausgereicht.
Als Risikofaktoren gelten kardio-vaskuläre, pulmonale und neurologische Vorerkrankungen sowie eine positive Infekt- oder Medikamentenanamnese (Betablocker, Diuretika oder Anticholinergika). Allerdings traf auf den Mann aus der Kasuistik nichts davon zu. Die Diagnose stützte sich daher – wie in den meisten anderen Fällen auch – auf die Hyperthermie (oft bis > 40,5 °C) und die pathologischen neurologischen Befunde nach starker körperlicher Belastung.
Am wichtigsten ist es, an eine solche Diagnose überhaupt zu denken. Denn eine schnelle Therapie kann das Fortschreiten zum Multiorganversagen verhindern. Im Wesentlichen muss die Körpertemperatur schnellstmöglich auf unter 39 °C gesenkt werden, entweder über Coolpacks oder Bäder. Fiebersenkende Substanzen wie Paracetamol oder ASS bringen nichts und können bei Vorliegen einer Leberfunktionsstörung und einer Thrombopenie sogar kontraproduktiv sein. Differenzialdiagnostisch muss man unter anderem Meningoenzephalitiden, Epilepsien, Intoxikationen und metabolische Entgleisungen wie etwa eine thyreotoxische Krise ausschließen.
Quelle: Manz SM et al. Swiss Medical Forum 2022; DOI: 10.4414/SMF.2021.10047