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Leukozytenzahl Höhe der Leukos nicht allein entscheidend für Dringlichkeit der Abklärung

DGIM 2024 Autor: Dr. Anna-Lena Krause

Bestimmte Medikamente oder eine vorangegangene Infektion können die Ursache einer reaktiven Leukozytose sein. Bestimmte Medikamente oder eine vorangegangene Infektion können die Ursache einer reaktiven Leukozytose sein. © stockdevil – stock.adobe.com
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Fällt im Blutbild eine erhöhte Leukozytenzahl auf, steckt meist eine Infektion oder ein Medikament dahinter. Trotzdem sollten Sie immer auf klinische Symptome achten. Dazu gehört auch ein Blick in den Mund.

Um der Ursache einer Leukozytose auf den Grund zu gehen, eignet sich die Zellzahl zur ersten Orientierung. Finden sich in einem Mikroliter Blut eines Erwachsenen 11.000–30.000 Leukozyten, handelt es sich in der Regel um ein reaktives Geschehen. Meist führen Infekte, bestimmte Medikamente (s. Kasten) oder Rauchen zu einer Vermehrung von Neutrophilen oder Lymphozyten. Allergien und chronische Entzündungen zählen zu den weiteren möglichen Auslösern. Liegt der Leukozytenwert zwischen 30.000 und 50.000, ist eine hämatologische Ursache wahrscheinlich, die es abzuklären gilt. Bei höheren Zahlen besteht die Gefahr einer Leukostase und der Patient muss unverzüglich in eine hämatologische Ambulanz.

Medikamente, die eine Leukozytose verursachen können

  • NSAR
  • Beta-Laktam-Antibiotika
  • Allopurinol
  • Kortikosteroide (relative Neutrophilie)
  • Sympathomimetika

Allerdings entscheidet die Leukozytenzahl nicht allein darüber, wie dringlich eine Abklärung erfolgen sollte, betonte Dr. Jörg Hoffmann von der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Immunologie in Marburg. Wegweisend kann ein Blick auf zwei weitere Parameter im kleinen Blutbild sein: den Hämoglobin- und Thrombozytenwert (s. Tabelle). Sind beide Werte stark erniedrigt, deutet dies auf eine akute Leukämie hin – ein Notfall! 

Drei wegweisende Blutwerte

Ursache

Leukozyten

Hb

Thrombozyten

reaktiv

< 30.000/µl

normal oder leicht erniedrigt

chronisch myeloische Leukämie

oft > 100.000/µl

normal oder leicht erhöht

chronisch lymphatische Leukämie

10.000–200.000/µl

normal oder leicht erniedrigt

akute Leukämie (Notfall!)

10.000–50.000/µl

stark erniedrigt


Die Blutwerte sollte man immer im Zusammenhang mit den Symptomen beurteilen. Petechien und Hämatome deuten auf eine Thrombozytopenie oder Blutgerinnungsstörung hin, die Folge einer akuten Leukämie sein können. Hinter einer B-Symptomatik steckt womöglich ein Lymphom und eine stark vergrößerte Milz gilt als potenzieller Hinweis auf eine myeloproliferative Erkrankung. Auch der Blick in den Mund des Patienten kann bei der Ursachensuche helfen: Ein Soor z.B. untermauert den Verdacht einer hämatologischen Erkrankung und Zahnfleischschwellungen treten mitunter als Folge von Blastenansammlungen im Rahmen einer akuten Leukämie auf.

Im nächsten Schritt sollte ein maschinelles Differenzialblutbild angefertigt werden, um den prozentualen Anteil der einzelnen Immunzellpopulationen zu bestimmen. Doch Vorsicht: Blasten sind so groß, dass das Gerät sie unter Umständen als Monozyten klassifiziert! Liegt der Neutrophilenwert zu niedrig, wird es kritisch. „Jeder Tag ohne Neutrophile akkumuliert die Probleme“, warnte Dr. Hoffmann. Patienten mit einem Mangel der wichtigsten Abwehrzelle des unspezifischen Immunsystems drohen Pilzinfektionen und Sepsis.

Im Blutausstrich sucht man anschließend nach Zellen, die eigentlich ins Knochenmark gehören, wie Myelo- und Lymphoblasten. Deren Anwesenheit spricht für eine akute Leukämie. Mittels Durchflusszytometrie ermittelt man anschließend den entarteten Zelltypen. Ein Blutausstrich liefert auch Hinweise auf myeloproliferative Erkrankungen wie chronisch myeloische Leukämie, Polycythemia vera, essenzielle Thrombozythämie und primäre Myelofibrose.

Zum Schluss kam der Hämatologe noch einmal auf den Notfall Leukostase zurück: Das Blut wird durch die Überzahl an Leukozyten so dickflüssig, dass die Sauerstoffversorgung beeinträgtigt ist. Wichtiger als der numerische Wert der weißen Blutkörperchen ist in dieser Situation der Leukokrit, also deren Volumen. Da Myeloblasten sehr groß sind, sind Patienten mit akuter myeloischer Leukämie besonders leukostasegefährdet. Betroffene leiden unter Lungenödemen, Krampfanfällen, Nierenversagen, Angina pectoris oder anderen schwerwiegenden Komplikationen. Zur Therapie sollte der Patient unmittelbar eine Leukapherese erhalten. Fehlt das entsprechende Equipment, kann ein Aderlass mit anschließender Transfusion von Erythrozytenkonzentrat helfen.

Quelle: 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 2024