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Platanenhusten Irritative Pflanzenhärchen

Autor: Annette Kanis

Die Trichome der Platane dienen als Biofilter für Luftschadstoffe, können aber auch allergieartige Symptome hervorrufen. Bei entsprechender Wetterlage sollte man die Nähe der Bäume meiden. Die Trichome der Platane dienen als Biofilter für Luftschadstoffe, können aber auch allergieartige Symptome hervorrufen. Bei entsprechender Wetterlage sollte man die Nähe der Bäume meiden. © serjblack – stock.adobe.com
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Während des Unterrichts klagten zahlreiche Schüler über Atemnot und Husten, tränende Augen und ein Brennen im Rachen. Gut die Hälfte von ihnen musste in die Klinik. Ein allergischer Ausbruch?

Vor gut einem Jahr, an einem sommerlichen Tag Mitte Mai, begannen ca. 40 Schüler einer Wiesbadener Gesamtschule während des Unterrichts bei geöffnetem Fenster heftig zu hyperventilieren. Sie hatten Kopfschmerzen, gerötete Augen und berichteten über ein Brennen im Hals mit Fremdkörpergefühl. Die Beschwerden verstärkten sich, als sie das Schulgebäude verließen und sich im umbauten, dicht von Platanen bestandenen Schulhof versammelten, um von Notärzten versorgt zu werden. 25 von ihnen mussten zur Überwachung ins Krankenhaus. Die herbeigerufene Feuerwehr schloss einen Gasunfall im nahe ­gelegenen Industriegebiet aus. Über den Auslöser der so plötzlich und massenhaft aufgetretenen Beschwerden bestand aber allgemeine Rat­losigkeit.

Wenige Wochen später wiederholte sich das Ereignis. Es herrschte das gleiche frühsommerliche Wetter mit Temperaturen an die 30 °C und böigem, trockenem Wind. Und wieder wurden Feuerwehr und Rettungsdienst gerufen und fanden zahlreiche Kinder mit den bereits vertrauten Symptomen vor. Was steckte hinter den epidemisch auftretenden Beschwerden?

Die Ursache lag bei den Platanen auf dem Schulhof, erläutern Dr. Jens Gierich­ von den Helios­ Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden und Kollegen. Es war allerdings keine Allergie, die den Schülern zu schaffen machte. Mit Sensibilisierungsraten unter 5 % sind Platanenallergien in Deutschland selten und kommen kaum für Massenanfälle in Betracht.

Schuld waren vielmehr bestimmte Pflanzenstäube, gebildet von den sogenannten Sternhaaren der Bäume. Solche Trichome finden sich an der Unterseite frisch ausgetriebener Blätter und Knospen. Ist es windig und trocken, brechen diese Härchen ab. Sie wirbeln dann durch die Luft und gelangen an die Schleimhäute, wo sie die beschriebenen Irritationen und respiratorischen Symptome verursachen.

Systematische Untersuchungen und Literatur zu diesem als Platanenhusten bezeichneten Phänomen fehlen, schreiben Dr. Gierich­ und Kollegen. Unter professionellen Baumpflegern sei es aber gängige Praxis, Platanen nur in der laubfreien Zeit zu schneiden und dabei Schutzbrille und Maske zu tragen.

Die Bäume vorsorglich zu fällen, wie es einige Kommunen in Australien praktizieren, halten die Autoren für keine gute Lösung. Denn wie die großen Laubblätter auch haben die winzigen Trichome der Platanen ihre Funktion als natürlicher Biofilter für Luftschadstoffe und Feinstaub. Stattdessen sollte man die Nähe von Platanen zur betreffenden Jahreszeit und bei entsprechender Wetterlage meiden, lautet die Empfehlung. Nötigenfalls greift man zu Schutzbrille und Mund-Nasen-Maske. Aufwendiger und von den Orts- oder Stadtverwaltungen durchzuführen ist diese Maßnahme: Werden die Baumkronen mit einem Gemisch aus Wasser und Apfelpektin besprüht, legt sich eine Schutzschicht auf die Blätter. Die Trichome werden gebunden und wirbeln nicht mehr herum. Genau so wurde es dieses Jahr vom Wiesbadener Grünflächenamt praktiziert.

Quelle: Gierich J et al. Hessisches Ärzteblatt 5/2023; 313