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Sauerstofftherapie ohne Rauchstopp Konsensuspapier hilft bei der Abwägung von Risiko und Nutzen

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Ein Sauerstoffgerät als ständiger Begleiter verschafft Linderung, kann aber auch zur Stolperfalle werden. Ein Sauerstoffgerät als ständiger Begleiter verschafft Linderung, kann aber auch zur Stolperfalle werden. © Jade – stock.adobe.com
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Viele Patienten mit schweren chronischen Atemwegserkrankungen brauchen früher oder später eine häusliche Sauerstofftherapie. Sind die Raucher unter ihnen nicht bereit, mit dem Qualmen aufzuhören, wirft dies neben medizinischen auch praktische, ethische und rechtliche Fragen auf.

Eine Langzeit-Sauerstofftherapie (LTOT) verbessert bei COPD und schwerer Hypoxämie in Ruhe nicht nur Lebensqualität und Atemnot, sondern ist eine der wenigen Möglichkeiten, in dieser Situation das Überleben zu verlängern. Dies zeigten schon in den 1970er-Jahren zwei große Studien, an denen allerdings fast nur Männer unter 70 Jahren und ohne signifikante Komorbiditäten teilgenommen hatten. Bei milder bis mittelschwerer Hypoxämie hatte die LTOT keine signifikanten Effekte gebracht. Es bleibt somit fraglich, ob sich der Prognosevorteil verallgemeinern lässt, berichten Dr. Zainab Ahmadi von der Universität Lund und Kollegen. Zudem gebe es mittlerweile neue medikamentöse Möglichkeiten, die die Behandlung einer  COPD deutlich verbesserten.

In beiden Studien waren etwa 40 % der Patienten bei Einschluss aktive Raucher. Zwar ist durchaus anzunehmen, dass auch Raucher von der LTOT profitieren. Allerdings könnte das Rauchen den Effekt der Therapie abschwächen, da die starke Bindung von Kohlenmonoxid an Hämoglobin eine sekundäre Polyzythämie begünstigt. Einen direkten Vergleich der Effekte einer LTOT bei Rauchern und Nichtrauchern gibt es bislang nicht. 

Erhöhtes Risiko für Brände und Verbrennungen

Zu den unerwünschten Auswirkungen einer Langzeitsauerstofftherapie gehören trockene Schleimhäute in den oberen Atemwegen, Nasenbluten und Stürze über das Equipment. Hinzu kommt ein erhöhtes Risiko für Verbrennungen und Brände, sofern der Patient raucht oder Umgang mit offenem Feuer (Kerze, Gasherd etc.) und Hitzequellen wie Toastern hat. Denn in der mit Sauerstoff angereicherten Umgebungsluft können sich brennbare Gegenstände deutlich schneller entzünden. 

Rauchen ist der häufigste Grund für Verbrennungen, die in Zusammenhang mit einer Sauerstofftherapie stehen. Sie betreffen meist den Kopf-Hals-Bereich, durch die Inhalation insbesondere die Atemwege. Auch Personen in der Nähe kommen manchmal nicht ohne Blessuren davon. E-Zigaretten, Wasserpfeifen und Tabakerhitzer sind nicht minder gefährlich als traditionelle Zigaretten. Bei Verwendung von Behältern mit komprimiertem Gas können Explosionen auftreten. Schließlich kann Rauchen die Lebensdauer von Sauerstoffkonzentratoren verkürzen, die Filter müssen häufiger gereinigt und ausgetauscht werden. 

Test auf exhaliertes CO wird nicht empfohlen

In vielen Leitlinien und Ländern gilt aktives Rauchen als Kontraindikation für eine LTOT. Einige Leitlinien sprechen sich jedoch unter der Voraussetzung, dass Patient und Angehörige umfassend über die Risiken aufgeklärt werden, für die Verordnung von Sauerstoff bei Rauchern mit schwerer Hypoxämie aus.

Es gibt keine Vorschrift, die aktive Raucher von einer Langzeitsauerstofftherapie ausschließt. Genauso wenig bestehen Vorgaben, dass Rauchern, die ansonsten die Kriterien erfüllen, eine solche angeboten werden muss. Grundsätzlich gilt, dass Therapien mit einem gewissen Nettonutzen für alle Patienten zugänglich sein sollten. Doch wie hoch dieser bei Rauchern ist, weiß man nicht. Es braucht in jedem Einzelfall eine individuelle Abwägung von Nutzen und Risiken, um eine sinnvolle Entscheidung zu treffen. 

Dr. Ahmadi und Kollegen haben auf Basis wissenschaftlicher Evidenz einen Konsensus zum praktischen Vorgehen bei rauchenden Patienten entwickelt, der die Entscheidung für oder gegen eine Verschreibung erleichtern kann. Teil der interdisziplinären Arbeitsgruppe waren neben Medizinern u.a. spezielle Pflegekräfte, Ethiker, Juristen und Patientenvertreter.

Die Forderung, dass ein Patient eine bestimmte zeitlang rauchfrei sein muss, bevor eine LTOT begonnen wird, unterstützen die Autoren aus ethischen Gründen nicht. Denn mit der Verzögerung könne man dem Patienten Schaden zufügen. Wichtig sei es jedoch, bei jeder Gelegenheit nach dem Rauchverhalten zu fragen, einen Verzicht nahezulegen und ein Entwöhnungsprogramm anzubieten. 

Hypoxämie in Ruhe ist nur die Grundvoraussetzung

Um die Indikation für eine LTOT zu stellen, muss die BGA im „steady state“ bei Raumluft eine schwere Hypoxämie belegen. Ein Sauerstoffpartialdruck ≤ 55 mmHg oder 56–59 mmHg (bei Ödem, Hämatokrit ≥ 55 % oder Cor pulmonale) kennzeichnen eine schwere Hypoxämie. Die Entscheidung für oder gegen eine LTOT hängt aber auch von den Komorbiditäten, dem klinischen Zustand sowie der zu erwartenden Kooperation des Patienten ab. Patienten, die weiter rauchen und bei denen ein geringes Verständnis oder mangelnde Kooperationsbereitschaft eine schlechte Adhärenz oder Komplikationen erwarten lässt, sollte keine LTOT angeboten werden. 

Die Autoren schlagen vor, bei der Blutgasanalyse auch auf das Carboxyhämoglobin zu achten, das bei Rauchern erhöht ist. Andere Tests wie exhaliertes Kohlenmonoxid oder Cotinin im Urin, die Raucher entlarven könnten, werden nicht empfohlen.

Gerätetypen sind unterschiedlich sicher

Als relativ sicher gelten Sauerstoffkonzentratoren. Ein größeres Risiko geht von Modellen aus, die mit Sauerstoffzylindern arbeiten. Bei der Auswahl des Gerätetyps sollte man die Präferenz des Patienten berücksichtigen. Er muss umfassend über den erwartbaren Nutzen und die Risiken (z.B. Verbrennungs- und Brandgefahr) aufgeklärt werden. In jeden Fall muss man dem Patienten klarmachen, dass Sauerstoffanwendung und Rauchen zeitlich zu trennen sind und nicht in dem Raum geraucht werden darf, in dem sich das Gerät gerade befindet. 

Wenn möglich, sollten zur Überwachung Hausbesuche vereinbart werden. Zu empfehlen ist eine erste Kontrolle wenige Wochen nach Therapiebeginn, dann nach einem Monat und anschließend zweimal jährlich. Wendet der Patient die LTOT korrekt an, treten Nebenwirkungen auf oder ist die Therapie gar nicht mehr indiziert? Auch die BGA gehört zur langfristigen Überwachung.

Quelle: Ahmadi Z et al. Eur Respir Rev 2024; 33: 230194; DOI: 10.1183/16000617.0194-2023