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Zur Reha in die gute Luft Kranken Lungen sind Berge und Meer egal

DGP-Kongress 2024 Autor: Friederike Klein

Eine pulmonale Reha im Hochgebirge ist nicht unbedingt besser als die am Wohnort des Patienten. Eine pulmonale Reha im Hochgebirge ist nicht unbedingt besser als die am Wohnort des Patienten. © by paul – stock.adobe.com
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Die einen schwören aufs Hochgebirge, andere bevorzugen eine Nordseeinsel für die pneumologische Rehabilitation. Medizinische Gründe gibt es indes weder für die eine noch die andere Destination. 

Das milbenfreie Hochgebirge ist ein Mythos, erklärte Dr. Justus de Zeeuw, niedergelassener Pneumologe aus Köln. Die Untersuchung von Hausstaubproben aus verschiedenen Höhenlagen ergab, dass sich auch in hochgelegenen alpinen Regionen Deutschlands und Österreichs klinisch relevante Konzentrationen von Hausstaubmilbenallergenen nachweisen lassen. Sie sind mit denen im Flachland vergleichbar. Berghütten mit ausschließlich sommerlicher Nutzung waren in der Studie ebenfalls betroffen. „Die Milben folgen uns“, so Dr. de Zeeuw.

Dass es im Hochgebirge Rehakliniken gibt, hat nach Aussage des Kollegen eher historische als medizinische Gründe. Ursprünglich kannte man in den Bergen keine Tuberkulosefälle, was man damals auf die gute Luft zurückführte. Deshalb baute man dort Kliniken und brachte erkrankte Patienten aus dem Tiefland dorthin. Als später der bakterielle Ursprung der Tbc bekannt und eine Behandlung möglich wurde, waren Aufenthalte in der Höhe nicht mehr nötig. Die Tuberkulosekliniken wurden deshalb umgewidmet. Bis heute werben Orte wie Davos damit, dass sie besonders gute Luft bieten und sich Milben auf 1.600 m Höhe schlecht vermehren. Evidenz gibt es dafür nicht, sagte Dr. de Zeeuw. 

Objektivierbare Kriterien zeigten keine Unterschiede

Immerhin fiel der Vergleich einer pneumologischen Rehabilitation in Davos mit einer am Meer zugunsten der Hochgebirgsreha aus. Die Lebensqualität von Patienten mit therapieresistentem Asthma war nach der Reha in Davos besser und es wurden anschließend etwas weniger orale Kortikosteroide (OCS) verbraucht. Die Rehabilitanden hatten sich allerdings ihr Ziel selbst ausgesucht, die Studie war nicht randomisiert erfolgt. Nach einem Jahr gab es keinen signifikanten Unterschied in objektivierbaren Ergebnissen wie die Zahl der Exazerbationen und die Lungenfunktion, berichtete Dr. de Zeeuw. 

Heute nennen sich viele Kurorte Premium-Heilklimatische Kurorte, das bedeutet, sie haben vor allem infrastrukturell und touristisch einiges für ihre Gäste getan. Eine medizinische Begründung, Patienten gerade dorthin zu schicken, gibt es laut Dr. de Zeeuw nicht. Die Luft ist deutschlandweit besser geworden, die Feinstaubbelastung auch in den Städten deutlich gesunken, zitierte der Pneumologe das Bundesumweltamt. Daher könne eine Reha oft genauso gut wohnortnah ambulant erfolgen. 

Außerdem: Am Meer werden brandungsbedingt häufig besonderes hohe Feinstaubkonzentrationen gemessen. Ob sie die gleiche Relevanz haben wie die an vielbefahrenen Straßen, ist unklar. „Wir wissen nichts über unterschiedliche Qualitäten des Feinstaubs, bisher wurden nur die Partikelgrößen gemessen“, erklärte Dr. de Zeeuw. Seiner Erfahrung nach erleben Patienten mit COPD häufig eine Entlastung am Meer, möglicherweise durch das Salz in der Luft, während einige Patienten mit bronchialer Hyperreagibilität nach der Reha berichten, sie hätten während des Aufenthalts am Meer wegen ihrer Atembeschwerden gar nicht aus dem Haus gehen können. 

Präferenzen des Patienten bei der Wahl berücksichtigen

Wichtig sei, bei der Entscheidung für Rehaort und -form, den Patientenwunsch und individuelle Faktoren zu berücksichtigen. So ist mitunter die Distanzierung vom sozialen Umfeld essenziell oder körperliche Einschränkungen sprechen eher für einen stationären Aufenthalt. Eine ambulante Rehabilitation am Wohnort kann bei entsprechender Patientenpräferenz ebenso hilfreich sein wie eine stationäre und ist beispielsweise auch dann möglich, wenn Angehörige gepflegt oder Haustiere versorgt werden müssen.

Quelle: Kongressbericht 64. Kongress der DGP (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin)