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Vorsorgevollmachten Orientierungslos am Patientenbett

Autor: Michael Brendler

Sie räumen zwar ein, dass ihre Studie allein schon designbedingt die Gesamtsituation hierzulande nicht repräsentativ abbilden kann. Doch vermutlich überschätze sie den realen Wissensstand sogar. Sie räumen zwar ein, dass ihre Studie allein schon designbedingt die Gesamtsituation hierzulande nicht repräsentativ abbilden kann. Doch vermutlich überschätze sie den realen Wissensstand sogar. © nmann77 – stock.adobe.com
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Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es in Deutschland ein Patientenverfügungsgesetz. Da wird es Zeit einmal abzufragen, ob diejenigen Fachkräfte, die sich mit Vorsorgedokumenten befassen, ausreichend mit dem Inhalt vertraut sind. Wissenschaftler aus Bochum und Würzburg haben dazu eine Studie aufgesetzt und sind zu ernüchternden Erkenntnissen gekommen.

Wurde das Thema Vorausplanung einschließlich der Vorsorgedokumente ausreichend in Ihrer für Ihren jetzigen Beruf qualifizierenden Ausbildung/im Studium behandelt? Besitzen Sie selbst Vorsorgedokumente? Insgesamt 30 solcher Fragen, präsentiert in Form von Fallvignetten, verschickten Dr. Carolin Fleischmann vom Institut für Angewandte Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt und Mitautoren per E-Mail oder Brief. Die Adressaten waren unter anderen Ärzte, Pflegefachkräfte und Rettungsdienstmitarbeiter im Raum Würzburg.

373 Gesundheitskräfte (ein Drittel Männer, zwei Drittel Frauen) meldeten sich schlussendlich per Post zurück oder nahmen online an der Befragung teil. Dabei offenbarten sie ethisch und berufspraktisch relevante Wissensdefizite. Nur 18 Fragen wurden im Schnitt zufriedenstellend beantwortet. „Das ist in Anbetracht der Unumkehrbarkeit und der existenziellen Bedeutung der auf den Dokumenten basierenden Entscheidungen fragwürdig ausreichend“, finden Dr. Fleischmann und ihre Kollegen.

Zum Beispiel erkannte ein Viertel der Befragten die Wirksamkeit einer Patientenverfügung trotz eindeutiger Formulierungen und Nachschärfungen der Krankheitssituation nicht an. 28 % der Fachkräfte nahmen an, dass eine Patientenverfügung erst nach Ausschöpfung aller Behandlungsmöglichkeiten wirksam wird. Das ist allein schon deshalb besorgniserregend, weil Fehlvorstellungen in diesem Bereich praktische Auswirkungen auf Entscheidungen bei einwilligungsunfähigen Patienten haben können.

Vor allem Berufserfahrene haben Wissenslücken

Gerade Menschen, die schon länger im Beruf tätig waren, offenbarten Wissenslücken. Für Dr. Fleischmann und seine Kollegen ein Hinweis darauf, wie wichtig die ausreichende Implementierung des Themas in die Ausbildung ist. Ärzte schnitten im Vergleich zu den anderen Berufsgruppen noch am besten ab. Nur sei eben auch ein beträchtlicher Anteil nicht-ärztlicher Gesundheitsfachkräfte an Behandlungsentscheidungen auf Basis von Patientenverfügungen beteiligt und berate Betroffene und Angehörige, schreiben die Autoren. Auch in der Berufspraxis nicht-ärztlicher Fachkräfte gibt es viele Situationen, die Kenntnisse über Vorsorgedokumente erfordern.

Sie räumen zwar ein, dass ihre Studie allein schon designbedingt die Gesamtsituation hierzulande nicht repräsentativ abbilden kann. Doch vermutlich überschätze sie den realen Wissensstand sogar. In der Aus- und Fortbildung der entsprechenden Berufsgruppen sollten Vorsorgedokumente deshalb mehr Beachtung finden, lautet ihre Forderung.

Quelle: Fleischmann C et al. Dtsch Med Wochenschr 2023; DOI: 10.1055/a-2062-8761