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Luftembolie Risiko bei zentralen Zugängen und Kathetereingriffen minimieren

Autor: Dr. Daniela Erhard

Je länger der ZVK liegt, desto größer ist das Risiko für eine Luftembolie beim Ziehen. Je länger der ZVK liegt, desto größer ist das Risiko für eine Luftembolie beim Ziehen. © Science Photo Library/ Marazzi, Dr. P.
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Eine kleine Luftblase in den Venen verkraftet der Körper normalerweise. Bei größeren Volumina und im arteriellen­ System droht dagegen Lebensgefahr – und ein Haftungsfall für die Behandelnden.

Iatrogene massive Lufteintritte ins Gefäßsystem sind zum Glück selten. Zwischen 2015 und 2020 hat beispielsweise die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler der Ärztekammer Nordrhein über insgesamt sieben Fälle entschieden, berichten deren Mitglieder um Prof. Dr. Erland Erdmann. Einer dieser Fälle betraf einen Anfang 70-jährigen Patienten, der einen PFO*-Okkluder erhalten sollte. Die Passage der Öffnung klappte noch problemlos, ebenso das anschließende Ausmessen mit dem Sizing-Ballon.

Weil der Patient unruhig wurde, vertieften die behandelnden Kollegen seine Sedierung. Während der Intervention erfolgte ein Wechsel auf eine 8F-Transseptalschleuse mit Einbringen in den linken Vorhof. 

Patient schnarchte laut und war sehr unruhig

Erst nach Zurückziehen der Sonde vom linken Vorhofohr unter Sicht habe Blut aspiriert werden können, beschreiben die Autoren den weiteren Verlauf. Als schließlich die Implantation des Schirmchens anstand, schnarchte der Patient laut und war sehr unruhig. Zudem war eine Blickdeviation zu erkennen. 

Die Antagonisierung des Midazolams änderte nichts an seinem Zustand, sodass der Eingriff abgebrochen und der Mann analgosediert und intubiert zur CT gebracht wurde. Die Bildgebung offenbarte eine ausgedehnte Luftembolie im Gehirn und diskrete Lufteinschlüsse in den Jugularvenen, der Vena cava inferior und im rechten Ventrikel. Eine Woche später starb der Patient. Lag ein Behandlungsfehler zugrunde?

Nach Erfahrung der Gutachterkomission geht von Kathetereingriffen am Herzen sowie von Zentralvenen- und venösen Portkathetern ein relevantes Risiko für Luftembolien aus. Steht z.B. ein Port oder ZVK offen, kann durch den herznah pulssynchronen Unterdruck eine potenziell tödliche Menge Luft eindringen. Auch beim Ziehen des Katheters besteht die Gefahr einer Luftembolie. Diese ist umso größer, je länger er liegt, je größer sein Lumen ist, je dichter die kutane Punktionsstelle an der Vene liegt und je negativer der zentralvenöse Druck ist. Daher sollte nur erfahrenes Personal solche Katheter entfernen und der Patient sollte dabei nicht sitzen, mahnen die Autoren­.

Periphere Zugänge meist unproblematisch

Bei einem negativen Venendruck würde theoretisch eine kleine Wunde genügen, um Luft in die Blutbahn zu lassen. Im Normalfall passiert aber nichts, da die Venen kollabieren. Auch durch periphere Zugänge dringen nur sehr selten Luftblasen ein. Vor allem, wenn die Extremität beim Punktieren korrekt tief gelagert wurde. Kleine Bläschen (z.B. bei nicht ganz luftgeleertem Infusionsschlauch) stellen im venösen System i.d.R. keine Gefahr dar. Kritisch wird es ab 20 ml Luft. Insbesondere nicht vollständig luftleere Druckinfusionssysteme gelten als Risiko, wobei Schraubverbindungen und Personalschulungen die Applikation sicherer gemacht haben.

Unachtsames Aufziehen von Kontrastmittel ist gefährlich

Bei Linksherzkathetern kommt hinzu, dass man sich bereits im arteriellen Kreislauf befindet. Dann genügen schon kleine Luftmengen, um die Zirkulation in den Koronarien zu stören und zu einer Angina-pectoris-Symptomatik bis hin zur akuten Ischämie zu führen. Als Beispiel nennen die Experten der Gutachterkommission das unachtsame Aufziehen von Luft statt von Kontrastmittel während der Prozedur. Größere Blasen gelangen besonders dann ins System, wenn sich im linken Herzen ein gegenüber den Außendruckverhältnissen negativer Druck entwickelt. Das kann passieren, wenn ein stark sedierter Patient unruhig wird und schwer atmet oder hustet – so, wie im eingangs geschilderten Fall. Ist das Katheterventil zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig verschlossen, kann Luft eindringen. Ein Umstand, der sich laut den Gutachtern durch Vorsichtsmaßnahmen absolut vermeiden lässt, z.B. indem man das Schleusenventil bei allen Manipulationen in eine Schale mit Wasser legt. Hätten die behandelnden Ärzte dies bei dem Anfang 70-Jährigen getan, wäre es nicht zur Luftembolie mit letalem Ausgang gekommen, sind sich die Experten sicher. Ein klarer Behandlungsfehler also. Obwohl generell die Beweislast für einen solchen Fehler beim Patienten liegt, kommt hier der Aspekt des voll beherrschbaren Risikos nach §630 h Abs. 1 BGB zum Tragen. Das heißt: Kommt es zu Komplikationen, die von Behandlerseite sicher hätten vermieden werden können, wird ein Behandlungsfehler vermutet und der Geschädigte muss keine Einzelheiten mehr beweisen. Dann ist es Sache des Durchführenden, nachzuweisen, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat (Beweislastumkehr). Im geschilderten Beispiel vertrat die Gutachterkomission zudem die Auffassung, dass Studien die Indikation des PFO-Verschlusses bei einem Patienten über 70 Jahren gar nicht abdecken. Daher wäre eine ausführlichere Aufklärung als die dokumentierte nötig gewesen.

* persistierendes Foramen ovale

Quelle: Erdmann E et al. Rheinisches Ärzteblatt 2021; 75: 25-29