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Thrombophilie To screen or not to screen

DGIM 2024 Autor: Dr. Anja Braunwarth

Zu den schweren hereditären Thrombophilien zählen unter anderem der Antithrombinmangel oder die homozygote Faktor-V-Leiden-Mutation. Zu den schweren hereditären Thrombophilien zählen unter anderem der Antithrombinmangel oder die homozygote Faktor-V-Leiden-Mutation. © Dr_Microbe – stock.adobe.com
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Ihr 65-jähriger sportlicher Patient kommt mit einer spontanen tiefen Venenthrombose. Sollten Sie bei ihm ein Thrombophiliescreening durchführen?

Venöse Thromboembolien haben eine Inzidenz von 1,6/1.000/pro Jahr in westlichen Industrienationen. 2/3 davon sind tiefe Venenthrombosen, 1/3 Lungenembolien. Männer und Frauen trifft es gleich häufig, berichtete Prof. Dr. Edelgard Lindhoff-Last vom Cardioangiologischen Centrum Bethanien in Frankfurt.

Es lohnt, auf die Altersverteilung zu schauen. Bei Kindern und Teenagern beträgt die Inzidenz pro Jahr 1/100.000, unter 50–60-Jährigen 1/1.000 und bei Menschen über 80 Jahren 1/100. Anders gerechnet heißt das: 60 % der venösen Ereignisse treten nach dem 60. Lebensjahr auf. „Da braucht man dann kein Screening mehr“, betonte die Kollegin. Wichtig ist auch die Familienanamnese. Kinder von Eltern mit einer Thrombose haben ein 2,15-fach erhöhtes Risiko, bei Geschwistern von Betroffenen ist es um das 2,6-Fache erhöht. Aber: Die Gefahr besteht vor allem dann, wenn der Verwandte die Thrombose vor seinem 50. Lebensjahr erlitten hatte. 

Ein Screening sollte nur durchgeführt werden, wenn das Ergebnis die Versorgung der Patienten bessert und sehr wahrscheinlich die Therapie beeinflusst. Und man sollte nur nach Erkrankungen suchen, die das Risiko für einen ersten Verschluss um mindestens das Zweifache erhöhen.

Zu den schweren hereditären Thrombophilien zählen: 

  • homozygote Faktor-V-Leiden-Mutation
  • homozygozte Prothrombinmutation
  • kombinierte heterozygote Faktor V- und Prothrombinmutation
  • Antithrombinmangel
  • Protein-C-Mangel
  • Protein-S-Mangel

Gibt es in einer Familie venöse Thrombosen und wird ein Inhibitormangel nachgewiesen, haben Angehörige ersten Grades ein deutlich erhöhtes Risiko für einen Gefäßverschluss. 

Eine gravierende Form der meist erworbenen Thrombophilie ist das Antiphospholipidsyndrom (s. Kasten). Außerdem weisen alle Menschen, die nicht Blutgruppe 0 haben, generell ein erhöhtes Thromboserisiko auf, erklärte die Referentin.

Das Antiphospholipidsyndrom

Diese Autoimmunkrankheit wird in der Regel erworben, in 10 % der Fälle findet sich eine familiäre Häufung. Das Antiphospholipidsyndrom hat eine jährliche Inzidenz von 1–2/100.000 und eine Prävalenz  von 1/2.000. Frauen sind 5-mal öfter betroffen als Männer, das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 34 Jahren.

Die Patienten entwickeln durch Autoantikörper induzierte arterielle oder venöse Thrombosen und/oder Schwangerschaftskomplikationen. Man beobachtet die Erkrankung gehäuft im Kontext mit anderen Autoimmunkrankheiten, z.B. dem Lupus erythematodes.

Bei der Diagnostik gilt es darauf zu achten, dass unter einer Therapie mit NOAK der Antikörpernachweis falsch-positiv ausfallen kann. Vor dem Test sollten die Patienten daher mit ihren NOAK mindestens zwei Tage pausieren, evtl. werden sie solange auf niedermolekulare Heparine umgestellt. Alternativ besteht die Möglichkeit, dem Testblut Aktivkohle beizugeben. Sie neutralisiert das NOAK („NOAK-Stop“). 

Prof. Dr. Bettina Kemkes-Matthes aus Gießen sollte eigentlich einen Vortrag kontra Thrombophiliescreening halten. Das fiel ihr aber nach eigenen Aussagen ausgesprochen schwer, weil im Verdachtsfall kaum etwas dagegen spricht. Sie führte aber einige Punkte an, die es zu bedenken gilt. 

Zum einen weiß man noch zu wenig über Risikofaktoren. So gibt es Ethnien mit sehr häufigen Thrombosen, bei denen sich keinerlei hereditäre Erkrankungen nachweisen lassen. Zweiter Punkt: Nicht selten liefern die Untersuchungen falsche Ergebnisse bzw. werden falsch interpretiert. Zum Beispiel ist bei akuten Entzündungen oder in der Schwangerschaft das Protein S vermindert. Und manche Defekte lassen sich mit herkömmlichen Tests nicht identifizieren

Man muss außerdem bedenken, dass die Resultate den Patienten unter Umständen schaden. So kann der Nachweis einer milden Thrombophilie durch eine heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation den Eintritt in den Polizeidienst oder eine Verbeamtung verhindern. Und zu guter Letzt erinnerte die Kollegin daran, dass die Tests ziemlich teuer sind.

Quelle: 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin

aktualisiert am 08.05.2024