Anzeige

Bernhardt-Roth-Syndrom Unter Druck des Leistenbands

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Mit konservativen Mitteln kann man bis zu 50 % der Patienten mit Meralgia paraesthetica gut helfen. Mit konservativen Mitteln kann man bis zu 50 % der Patienten mit Meralgia paraesthetica gut helfen. © Maridav – stock.adobe.com
Anzeige

Bei der Meralgia paraesthetica wird der Nervus cutaneus femoris lateralis komprimiert. Die zugrunde liegenden Ursachen und therapeutischen Möglichkeiten sind vielfältig.

Der N. cutaneus femoris lateralis verläuft durch die Fasern des Ligamentum inguinale und versorgt die Haut des vorderen und lateralen Oberschenkels. Bei der Meralgia par­aesthetica wird der Nerv auf Höhe des lateralen Leis­tenbands eingeklemmt. Als Ursachen kommen eine erhöhte Spannung der Bauchdecke durch Adipositas oder Schwangerschaft, die diabetische Polyneuropathie, ein ungünstiger anatomischer Nervenverlauf, posttraumatische Läsionen und intraabdominelle Erkrankungen in Betracht.

Symptome treten meist nur unilateral auf

Die nach ihren Erstbeschreibern auch Bernhard-Roth-Syndrom genannte Erkrankung äußert sich durch einen Sensibilitätsausfall an der Vorder- und Außenseite des Oberschenkels sowie Parästhesien und ziehende bis brennende Schmerzen im Versorgungsgebiet des Nervs. Alle Bewegungen, die einen Zug am Leistenband verursachen, wie langes Stehen oder Gehen sowie Liegen mit gestrecktem Bein, verstärken die Beschwerden, schreibt Dr. ­Heinrich ­Binsfeld, Anästhesist und Internist aus Drensteinfurt. Das Syndrom tritt meist einseitig auf. Bei bis zu 10 % der Patienten sind beide Seiten betroffen.

Bei den meisten Patienten kann durch Beklopfen des Bereichs medial der Spina iliaca anterior superior ein Hoffmann-Tinel-Zeichen mit Missempfindungen am Oberschenkel ausgelöst werden. Die Schmerzen lassen sich mit dem „umgekehrten Lasègue“ reproduzieren. Dabei liegt der Patient auf dem Bauch und der Untersucher bewirkt durch leichtes Anheben des Oberschenkels bei gleichzeitiger Flexion des Kniegelenks eine Hyperextension im Hüftgelenk. Die Beschwerden verschwinden, wenn der auf dem Rücken liegende Patient das Hüftgelenk entlastet durch Anheben des Oberschenkels mit gebeugtem Knie.

Motorische Ausfälle gehören nicht zum Krankheitsbild

Hält die Kompression an, können sich im späteren Verlauf vegetative Störungen ausbilden, z.B. verminderter Haarwuchs. Differenzialdia­gnostisch muss an eine Radikulopathie gedacht werden. Diese geht anders als die Meralgia paraesthetica mit einer motorischen Beeinträchtigung einher.

Mit konservativen Mitteln kann man bis zu 50 % der Patienten mit Meralgia paraesthetica gut helfen. Dazu gehören Infiltrationen von Lokalanästhetika und Steroiden unter die Fascia lata medial und kaudal der Spina iliaca anterior superior. Der Nerv kann durch lokale Injektion eines Schmerzmittels auch direkt ruhiggestellt werden. Dies gelingt heute mithilfe des hochauflösenden Ultraschalls unter Sicht punktgenau.

Auch eine systemische Medikation mit Pregabalin oder Amitriptylin kann helfen. In einer retrospektiven Studie bei medikamentös therapierefraktärer Meralgia hat zudem eine Radiofrequenz-Neuromodulation gute Ergebnisse gebracht.

Führen die konservativen Maßnahmen nicht zu einer Besserung, kann gegebenenfalls eine operative Therapie Abhilfe schaffen. Sie hat die Dekompression oder Neurolyse des N. cutaneus femoris lateralis zum Ziel. Aussichtsreich erscheint dieses Vorgehen vor allem bei solchen Patienten, deren Beschwerden noch nicht länger als 18 Monate an­dauern.

Quelle: Binsfeld H. Schmerzmedizin 2022; 38: 42-44; DOI: 10.1007/s00940-022-4034-8