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Entzündete Mandeln Viele Tonsillektomien lassen sich vermeiden

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Für diese deutlich geschwollenen Tonsillen eines Zehnjährigen liegt ein positiver Streptokokkennachweis vor. Für diese deutlich geschwollenen Tonsillen eines Zehnjährigen liegt ein positiver Streptokokkennachweis vor. © Science Photo Library/ Marazzi, Dr. P.
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Wie man bei einer Tonsillopharyngitis am besten vorgeht, machen die Autoren einer neuen Leitlinie u.a. von Anzahl und Verlauf der Halsschmerzepisoden abhängig. Für Letztere gibt es neue Definitionskriterien.

Allgemein gilt: Tonsillotomie und Tonsillektomie sind nur sinnvoll, wenn die Mandeln die entscheidende Ursache für die Halsentzündungen sind. Deswegen bleibt es wichtig, zwischen einer reinen Pharyngitis und der Tonsillitis bzw. Tonsillopharyngitis zu differenzieren. Wenn es darum geht, Zahl und Schweregrad der Halsschmerzepisoden zu objektivieren, sollte ein Zeitraum von zwölf Monaten betrachtet werden. So heißt es in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie und weiterer Fachgesellschaften, darunter auch die DEGAM.

Für Halsschmerzepisoden gelten neue Kriterien

Geändert hat sich die Definition der Halsschmerzepisode. Sie richtet sich neuerdings nach dem Alter des Patienten. Bis zum 15. Lebensjahr wird gefordert, dass zusätzlich zum Halsschmerz mindestens einer der folgenden vier Befunde vorliegt:

  • mindestens ein neu aufgetretener druckdolenter zervikaler Lymphknoten
  • beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A im Abstrich
  • Fieber (oral > 38,3 °C)
  • Tonsillenexsudat

Solange das Kind keine Symptome entwickelt, hat der Streptokokkennachweis allein keinen Krankheitswert.

Anders sieht es nach dem 15. Lebensjahr aus. Dann geht man von einer Halsschmerzepisode aus, wenn die Beschwerden eindeutig durch eine akute Tonsillitis (mit und ohne Pharyngitis) ausgelöst werden. Zudem müssen sie den normalen Alltag beeinträchtigen. Eine antibiotische Behandlung ist nicht mehr zwingend erforderlich, um als Halsschmerzepisode gezählt zu werden. Notwendig ist aber eine ärztliche Dokumentation der akuten Tonsillitis, nicht jedoch einer Pharyngitis. Die Intensität der Symptome lässt sich mit einem validierten Fragebogen (TOI-14*) erfassen.

Die Indikation für einen operativen Eingriff hängt nicht vom Alter ab. Patienten profitieren von einer Tonsillektomie, wenn sie in den vorangegangenen zwölf Monaten mindestens sieben Halsschmerzepisoden erlitten haben. Auch eine Anzahl von ≥ 5 Attacken jährlich in den letzten zwei Jahren erfüllt die Voraussetzungen, ebenso ≥ 3 Attacken jährlich in den vergangenen drei Jahren. Wenn diese Zahlen nicht erreicht werden, sollte man laut Leitlinie mit der Einschätzung noch sechs bis zwölf Monate warten, um die Chance für eine Spontanremission aufrechtzuerhalten (Watchful Waiting).

Vergrößerung maßgeblich für die OP-Entscheidung

Die Indikation zur Tonsillotomie hängt vom Ausmaß der Hyperplasie ab. Wenn zusätzlich zu den genannten Kriterien eine Tonsillenvergrößerung vorliegt, die den oropharyngealen Durchmesser um mehr als 25 % einengt, sollte man Patienten mit rezidivierenden akuten Tonsillitiden zunächst eine Tonsillotomie anbieten. Allerdings muss man sie dann auch über das Risiko einer eventuell notwendig werdenden sekundären Tonsillektomie aufklären.

* Tonsillectomy Outcome Inventory

Quelle: S3-Leitlinie „Therapie der Tonsillo-Pharyngitis“, AWMF-Register-Nr. 017/024, www.awmf.org