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Praxiskolumne Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt

Autor: Dr. Cornelia Werner

In der Pandemie sind erstmalig wissenschaftsferne Personen in der Medizin so richtig aufgefallen. In der Pandemie sind erstmalig wissenschaftsferne Personen in der Medizin so richtig aufgefallen. © JeromeCronenberger – stock.adobe.com
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Von jeher kenne ich Diskussionen mit Patienten über die Sinnhaftigkeit von präventiven Untersuchungen, von Medikamenten, Impfungen oder über deren potenzielle Nebenwirkungen. Immer schon gab es den „Tennistrainer von der Cousine der Postbotin“, der ganz sicher aufgrund des Medikamentes xy einen qualvollen Tod erlitt. Und ja, es gab auch schon immer tatsächlich aufgetretene Nebenwirkungen. Denn alles, was wirkt, kann auch Nebenwirkungen haben.

In der Pandemie aber hat das nun ganz seltsame Züge angenommen. Überall, wo man nur hinschaut: „Experten“ und Stimmungsmacher.  Tatsächliche Nebenwirkungen von Impfungen werden aufgebauscht, tatsächliche Folgen von Infektionen kleingeredet oder negiert. 

Infektionen muss man nun sogar dringend durchmachen. Man möchte doch nicht in den Verdacht geraten, ein Vermeider zu sein. So zumindest wirkt es, wenn man sich umschaut. Jeder Zweite ist krank, noch krank, nicht fit. Das Offensichtliche wird übersehen. Man erfindet Entschuldigungen. Wie die „Immunschuld“ durch dieses exzessive Maskentragen. Denn eigentlich wirken Masken ja gar nicht. Ok, das RKI hat gerade in einer Studie das Gegenteil bewiesen,  aber was ist schon das RKI. Genau: verdächtig! Misstrauen in Institutionen gehört nun zum guten Ton.

In der Pandemie nun sind auch erstmalig wissenschaftsferne Personen in der Medizin so richtig aufgefallen. Auf der Welle der Desinformation reitend, fanden sie eine große Gefolgschaft. Ja, es gab schon immer Homöopathie. Aber ich meine diejenigen, die sich wissenschaftsnah geben, ggf. in höheren Stellen an Universitäten sitzen und nun die letzten Hemmungen verloren haben. Während weltweit Studien und Metaanalysen erscheinen und z.B. den Nutzen von Statinen verdeutlichen, gibt es eine Stimmungsmache gegen Statine. In den Augen meiner Patienten scheint diese Medikamentengruppe die tödlichste und nebenwirkungsreichste zu sein. Wie eindeutig kann die Studienlage sein, fragt man sich.

Oder die Pandemie selbst. Das Jahrhundertvirus, das von Personen, die in medizinischen Verlagen schreiben, als bloßer Atemwegsinfekt bezeichnet wird. Selbst wenn es im vierstelligen Bereich Studien zu Vaskulitis, Organschäden, Immunmodulation, neurologischen Schäden gibt. 

Professoren, die trotz Vorlage von pathologischer Bildgebung oder Laborbefunden von „psychosomatischer Erkrankung“ reden und chronisch kranke Patienten ins Lächerliche ziehen. Mediziner, die Typ-1-Diabetes eher durch Pandemiemaßnahmen als durch Viren verursacht sehen. 

Das teils postfaktische Auftreten einiger unserer Kollegen ist definitiv mit schuld daran, dass wir nun eine komplett verunsicherte Patientenschaft haben. Noch nie musste man so gegen Vorurteile kämpfen.

Zeitgleich zu dieser Abkehr von der Wissenschaft gibt es sensationelle Entwicklungen in der Medizin. Neue Impfungen. Neue Medikamente, die z.B. eine deutliche Risikoreduktion bewirken an einem kardiovaskulären Ereignis zu sterben. Die ggf. eine Niereninsuffizienz in der Progression aufhalten. Aber ich brauche den Patienten, die eh am liebsten alle Medikamente absetzen würden, nicht mit Präparaten zu kommen, deren Erfolg sie nicht aktiv und sofort spüren. 

Die Lebenserwartung ist in Deutschland durch COVID um ein halbes Jahr im Schnitt gesunken.Und ich würde prognostizieren, dass es mehr wird. Nicht nur durch repetitive Infektionen und ihre Folgen. Ich sehe auch ein Ende der bisher sehr guten Versorgung. Durch Personalmangel, fehlende Subventionen und abnehmende Therapieadhärenz.
Das Einzige, was wir tun können, ist, uns Zeit zu nehmen und aufzuklären. Nur genau das ist es, was uns fehlt: Zeit. Und so steigt doch auch meine Frustration und ich nicke ab und notiere: „Über Sinnhaftigkeit von Impfung/Medikament aufgeklärt. Von Patient abgelehnt.“

Wir benötigen dringend Informationskampagnen mit Inhalt. Und eine Medienlandschaft, die nicht False Balance betreibt, sondern Fakten präsentiert. Und wir müssen auch im medizinischen Bereich genauer hinsehen, Qualifikationen überprüfen. Institutionen und Verlage sollten Konsequenzen ziehen, wenn Wissenschaftsfernes kolportiert wird.

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