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Kathetertherapie bei zerebraler Ischämie Besserer Reperfusionserfolg durch niedrigeren Blutdruck?

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Die hämorrhagische Transformation des Infarktgebiets kann den Reperfusionserfolg beeinträchtigen. Die hämorrhagische Transformation des Infarktgebiets kann den Reperfusionserfolg beeinträchtigen. © utah51 - stock.adobe.com
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Die endovaskuläre Therapie ist beim ischämischen Schlaganfall häufig die Methode der Wahl. Doch in bis zu 60 % der Fälle bleiben deutliche neurologische Defizite zurück. Mehrere Arbeitsgruppen versuchten, das Outcome via Blutdrucksenkung zu bessern.

Trotz hoher Reperfusionsraten erlangen viele Patienten durch die endovaskuläre Therapie (EVT) keine funktionelle Unabhängigkeit. Einer der möglichen Gründe für schlechtere Behandlungsergebnisse ist die hämorrhagische Transformation des Infarktgebiets. Ob sich diese durch eine Absenkung der Blutdruckwerte nach der Intervention verhindern lässt, wurde in zwei randomisierten klinischen Studien geprüft. 

Prof. Dr. ­Eva ­Mistry von der University of Cincinnati und ihre Kollegen wiesen 120 Schlaganfallpatienten nach erfolgreicher EVT gemäß dem Zufallsprinzip einer von drei Gruppen mit unterschiedlichen systolischen Blutdruckzielwerten zu (Gruppe 1: < 140, Gruppe 2: < 160, Gruppe 3: < 180 mmHg). Die Werte sollten innerhalb von 60 min nach der Intervention erreicht und über 24 h aufrechterhalten werden. 

Das Infarktvolumen nach 36 h war zwar in Gruppe 1 etwas geringer als in den beiden anderen Kollektiven. Intrazerebrale Blutungen kamen allerdings in allen drei ähnlich häufig vor. Und nach 90 Tagen war das neurologische Ergebnis auf der nutzengewichteten modifizierten Rankin-Skala (UW-mRS) relativ ähnlich und lag zwischen 0,47 und 0,58 (0: schlechtestes mögliches Ergebnis; 1: optimales Ergebnis).

Aus diesen Werten errechneten die Wissenschaftler, dass ein um 1 mmHg verminderter systolischer Druck das Infarktvolumen um gerade einmal 0,29 ml senken würde. Für die funktionellen Ergebnisse sah es noch schlechter aus: Die Drucksenkung um 1 mmHg verringerte theoretisch den UW-mRS-Score nur um 0,0019 Punkte.

Ein Team um Prof. Dr. ­Hyo ­Suk ­Nam von der Yonsei-Universität in Seoul gelangte zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Die Südkoreaner hatten 306 Patienten nach EVT randomisiert zwei Gruppen zugeteilt: Eine hatte einen Zielwert für den systolischen Druck von 140 bis 180 mmHg, bei der anderen waren es < 140 mmHg. 

Nur wenig Auswirkung auf das Infarktvolumen

Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da es das Monitoring Board nach einer ersten Interimsanalyse für höchst unwahrscheinlich hielt, dass eine Fortführung den Nutzen der Blutdrucksenkung nachweisen kann. Dazu kamen Sicherheitsbedenken nach Publikation einer anderen Arbeit, die negative neurologische Auswirkungen einer intensiven Druckminderung gefunden hatte.

Die Auswertung der bis dahin eingeschlossenen Teilnehmer bestätigte diese Entscheidung: Die Patienten mit geringeren Zieldruckwerten erzielten deutlich seltener eine weitestgehende funktionelle Unabhängigkeit nach drei Monaten (korrigierte Odds Ratio, OR, 0,56).

Dass die Blutdrucksenkung nach einer EVT keine oder sogar negative klinische Auswirkungen hatte, widerspricht auf den ersten Blick früheren Erkenntnissen, schreibt Prof. Dr. ­Amrou ­Sarraj von der Case Western Reserve University School of Medicine in Cleveland in einem Editorial. In retrospektiven Kohortenstudien hatten Patienten mit niedrigerem Blutdruck meist bessere Ergebnisse erzielt. Man müsse aber zwischen Korrelation und Kausalität unterscheiden, so Prof. Sarraj. Die Assozia­tion von niedrigerem Blutdruck nach dem Eingriff mit einem besseren klinischen Outcome könne auch schlicht Ausdruck einer günstigeren zugrunde liegenden Physiologie bei diesen Patienten sein. Darüber hinaus sei die zerebrale Autoregulation von Blutdruck und Blutfluss ein komplexes Phänomen, bei dem einfache Interventionen vermutlich nicht helfen können.

Quelle:
1. Misry EA et al. JAMA 2023; 821-831; DOI: 10.10017/jama.2023.14330
2. Nam HS et al. JAMA 2023; 832-842; DOI: 10.10017/jama.2023.14590
3. Sarraj A. JAMA 2023; 30: 811-812; DOI: 10.10017/jama.2023.14588