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Das Licht am Ende des Tunnels: Wie das Gehirn Nahtoderlebnisse generiert

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Das „Licht am Ende des 
Tunnels“ entsteht wohl durch die Reduktion des Gesichtsfelds auf den besser versorgten fovealen Bereich. Das „Licht am Ende des 
Tunnels“ entsteht wohl durch die Reduktion des Gesichtsfelds auf den besser versorgten fovealen Bereich. © fotolia/Klaus Eppele
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Etwa 10–20 % der Menschen, die reanimiert werden, berichten hinterher über Nahtod­erlebnisse. Wissenschaftlich zu erklären sind solche Visionen durch neurophysiologische Prozesse in einem Gehirn, das in eine lebenskritische Situation gerät.

In zwei Dritteln der Fälle handelt es sich bei Nahtodereignissen um positive Erlebnisse wie durch einen Tunnel ins Licht gehen, erklärte Professor Dr. Wolfgang­ Heide­, Klinik für Neurologie, Allgemeines Krankenhaus Celle. Dabei treten auch Depersonalisationsphänomene auf, d.h., Betroffene sehen sich oft selbst diesen Weg laufen.

Jede dritte Person mit Nahtod­erfahrungen erlebt Negatives wie Horrorvisionen, einen Kurzaufenthalt in der Hölle oder sieht sich selbst auf dem Reanimationstisch liegen. Manche krempeln, zutiefst beeindruckt von den Geschehnissen, ihr Leben um, wenn sie wieder in die Realität zurückgekehrt sind und werden z.B. extrem gläubig.

Der US-amerikanische Psychiater und Philosoph Raymond A. Moody­ berichtete 1944 in seinem Buch „Leben nach dem Tod“ über 150 Menschen, die angeblich klinisch tot gewesen sind und dabei Erfahrungen „jenseits der Grenze“ gemacht hatten. Allerlei Meta­physisches und Religiöses bis hin zum Beweis eines Lebens nach dem Tod wurde daraus abgeleitet. Andere Bücher wie „90 Minuten im Himmel“, „Erfahrungen zwischen Leben und Tod“ oder „Der Tod muss nicht das Ende sein“ geben darüber „Zeugnis“.

Hyperkapnie ist eine Ursache von Pseudohalluzinationen

Alle diese Berichte implizieren, dass die Betroffenen tatsächlich kurzfris­tig aus dem Leben ausgeschieden sind, was sicherlich nicht unkritisch betrachtet werden darf, betonte der Referent.

Nahtoderfahrungen lassen sich neurobiologisch erklären. Visuelle Pseudohalluzinationen oder metaphysische Erlebnisse können auftreten bei:

  • Schädigung der Sehrinde,
  • Großhirnläsion am temporo­parie­talen Übergang,
  • epileptischen Anfällen im Schläfenlappen,
  • Einfluss von halluzinogenen Drogen,
  • Hypoxie bzw. erhöhtem CO2-Spiegel.

Vor allem ein exzessiv erhöhter CO2-Spiegel beeinflusst signifikant die visuelle Wahrnehmung. Als Korrelat der Empfindung eines Lichts am Ende des Tunnels nimmt man eine Einengung des Gesichtsfelds auf den besser versorgten fovealen Bereich an. Der visuelle Kortex kann Farb- oder Formillusionen generieren, da Halluzinationen und echte Wahrnehmungen dieselben Hirnregionen benutzen.

Nahtoderfahrungen sind kein Blick ins Jenseits, sondern erklärbar durch neurophysiologische Prozesse in einem Gehirn, das in eine lebenskritische Situation gerät, bekräftigte Prof. Heide.­ Über ein eventuelles Leben nach dem Tod geben sie keine Auskunft. Das bleibt eine Glaubensfrage, lautet sein Fazit.

Quelle: 35. Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin