Neue Wege bei Anorexie & Co. Helfen Cannabis und Psychedelika gegen Essstörungen?

Autor: Judith Lorenz

Betroffene von Anorexie und anderen Essstörungen berichten, dass Cannabis und Psychedelika ihre Symptome lindern. Betroffene von Anorexie und anderen Essstörungen berichten, dass Cannabis und Psychedelika ihre Symptome lindern. © YARphotographer - stock.adobe.com

Betroffene von Anorexie und anderen Essstörungen berichten, dass Cannabis und Psychedelika ihre Symptome lindern. Die Forschenden regen an, den Einsatz dieser Substanzen in der Behandlung zu untersuchen.

Für Essstörungen wie die Anorexie oder Bulimie existieren kaum effektive Pharmakotherapien. Viele Erkrankte erhalten dennoch verschreibungspflichtige psychotrope Medikamente, um Komorbiditäten wie Depressionen oder Angststörungen zu behandeln. Auch Substanzmissbrauch ist in diesem Patientenkollektiv häufig, erläutert ein australisches Forscherteam um Sarah-Catherine Rodan von der University of Sydney. Die Autorinnen und Autoren gingen der Frage nach, welche Erfahrungen Menschen mit Essstörungen mit verschiedenen Medikamenten bzw. mit Genussmitteln und Drogen gemacht haben.

Über Social Media, Selbsthilfegruppen und verschiedene E-Mail-Verteiler gewannen die Forschenden 6.612 Personen dafür, einen Online-Fragebogen auszufüllen. Die Teilnehmenden stammten überwiegend aus Australien, dem Vereinigten Königreich oder den USA und hatten ein Durchschnittsalter von 24,3 Jahren; 94 % waren Frauen.

Diagnose oder „erheblicher Leidensdruck“ als Bedingung

Rund zwei Drittel der Befragten gaben an, eine klinisch diagnostizierte Essstörung zu haben – am häufigsten Anorexie (41 %), gefolgt von Bulimie (19 %), Binge-Eating-Störung (11 %) und vermeidend-restriktiver Ernährungsstörung (avoidant/restrictive food intake disorder, ARFID; 9 %). Wer keine Diagnose vorzuweisen hatte, musste ein gestörtes Essverhalten „mit erheblichem Leidensdruck“ bejahen. Konkret wurde nach DSM-5-Symptomen von Essstörungen wie Kalorienrestriktion, Angst vor Gewichtszunahme oder selbst herbeigeführtem Erbrechen gefragt.

Die Teilnehmenden gaben außerdem an, ob sie eine Reihe von Substanzen konsumierten und wie sich diese auf ihre Essstörung und ihre allgemeine psychische Gesundheit auswirkten. Darunter waren Koffein, Nikotin, Kokain, Alkohol, Cannabis, verschreibungspflichtige Psychotropika, Psychedelika, Ketamin, Amphetamine, Stimulanzien und Opioide.

Über alle Befragten hinweg wurde Cannabis insgesamt am häufigsten als wirksam gegen die Symptome von Essstörungen bewertet, gefolgt von Psychedelika (v. a. Psilocybin). Lisdexamfetamin und Fluoxetin betrachteten die Forschenden gezielt im Hinblick auf die Binge-Eating-Störung respektive Bulimie – jene Indikationen, für die diese Medikamente bereits in Leitlinien oder als zugelassene Therapieoptionen eine Rolle spielen. Tatsächlich wurden diese Substanzen von Teilnehmenden mit entsprechender Diagnose als subjektiv effektiv eingeschätzt.

Andere verschreibungspflichtige Psychopharmaka erzielten dagegen keine Linderung der Essstörungssymptome, besserten aber zumeist das allgemeine psychische Wohlbefinden. Als am ungünstigsten wurden Alkohol, Nikotin, Kokain und Tabak eingestuft.

Die Forschenden regen an, Cannabinoide und Psychedelika als Behandlungsoptionen für Menschen mit Essstörungen zu prüfen – und schreiten selbst voran: Aktuell bereite das Team eine Untersuchung dazu vor, ob Menschen mit Anorexie von Psilocybin profitieren. Zudem sei eine andere Pilotstudie zum therapeutischen Potenzial von Cannabidiol bei schwerer Anorexie „nahezu abgeschlossen“. 

Quelle: Rodan SC et al. JAMA Netw Open 2025; 8: e2522406; doi: 10.1001/jamanetworkopen.2025.22406