Patientennahe Beratung Herz-Kreislauf-Risiken erkennen und gemeinsam handeln
Hausarztpraxen kommt eine entscheidende Rolle zu, wenn es darum geht, Herz-Kreislauf-Risiken einzudämmen.
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Bei der Aktualisierung der S3-Leitlinie „Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention“ hat die Autorenrunde der DEGAM einen Schwerpunkt auf das individuelle Vorgehen gesetzt. Behandelnde werden dazu angehalten, gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten die möglichen Maßnahmen zu besprechen und zu bewerten. Im Einzelnen sieht das Gremium verschiedene Schritte vor:
Die Hausärztin oder der Hausarzt informiert darüber, dass eine kardiovaskuläre Prävention ins Auge gefasst werden soll und berechnet das Gesamtrisiko mithilfe geeigneter Scores.
Die möglichen Strategien und ihre Vor- und Nachteile werden diskutiert, wobei die Patientinnen und Patienten ihre Präferenzen nennen sollten.
Fragen sollten beantwortet und gemeinsam Lösungen erörtert werden.
Nachdem man sich für Diagnose- und Behandlungsoptionen entschieden hat, soll besprochen werden, wie sich z. B. Ernährungsberatung, Rauchstopp oder Medikamenteneinnahme am besten umsetzen lassen.
Die partizipative Entscheidungsfindung ist auch bei der kardiovaskulären Prävention eine geeignete Interaktionsstrategie, heißt es in der Leitlinie. Sollte die Patientin oder der Patient damit überfordert sein, lassen sich gegebenfalls Angehörige einbinden. Wird gewünscht, dass Ärztin oder Arzt allein entscheiden, ist im mutmaßlichen Interesse der Betroffenen zu handeln. Entscheidungshilfen können anschaulich darstellen, wie eine Verhaltensänderung das Risiko reduzieren kann. Sie sollten jedoch die Beratung nur ergänzen, nicht ersetzen. Konkret wird die Software arriba, Modul „Kardiovaskuläre Prävention“, empfohlen.
Das Leitliniengremium nennt konkrete Anlässe und Patientengruppen, für die eine kardiovaskuläre Risikoberatung infrage kommt. Als Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen ist eine Gesundheitsuntersuchung nach §25 SGB V ab 35 Jahren alle drei Jahren etabliert. Aktiv anbieten sollte man eine solche Untersuchung bei Menschen mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko, mit Hinweisen oder Anzeichen für hohe psychosoziale Belastungen, bei niedrigem Bildungsgrad oder niedrigem sozioökonomischem Status sowie dann, wenn anspruchsberechtigte Personen es explizit wünschen. Eine Risikoberatung sollte zudem anlasslos bei allen Patientinnen und Patienten ab dem 50. Lebensjahr erfolgen und außerdem, wenn einer der folgenden Risikofaktoren neu aufgetreten ist:
- Rauchen
- erhöhte Blutdruckwerte
- erhöhte Lipidwerte
- Typ-2-Diabetes
- positive Familienanamnese
- erniedrigte eGFR und/oder pathologische UACR ≥ Stadium A2
- Adipositas
- Diagnose einer rheumatischen Erkrankung (d. h. chronisch-entzündliche Erkrankung)
- Gichtanfall
- (geplanter) Beginn einer Behandlung mit Sexualhormonen
- Hinweise auf ausgeprägten Bewegungmangel
Bei positiver Familienanamnese für Hypercholesterinämie oder einem anderen genetisch bedingten Hochrisiko für kardiovaskuläre Erkrankungen empfiehlt sich eine einmalige Beratung bereits zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr. Diese Leistung ist ebenfalls durch §25 SGB V abgedeckt.
In der Palliativsituation von der Risikoberatung absehen
Dagegen sollte man Menschen in palliativen Situationen oder mit deutlich eingeschränkter Lebenserwartung nicht zur Risikoberatung einbestellen. Bei diesen Patientinnen und Patienten steht die Verbesserung der Lebensqualität im Vordergrund. Keinen Sinn in einer Beratung sehen die Leitlinienautorinnen und -autoren zudem, wenn eine Lebensstiländerung oder eine zusätzliche medikamentöse Therapie nicht umsetzbar erscheint oder abgelehnt wird.
Abweichend von der Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinie hält das Expertenteam der DEGAM bei Menschen ohne Risikofaktoren Abstände von mehr als drei Jahren für ausreichend. Bei chronischen Erkrankungen wie Hypertonie oder Diabetes mellitus sollten die Kontrollen hingegen häufiger erfolgen.
Statintherapie nicht allein wegen des Alters beenden
Eine weitere Neuerung der Leitlinie sind die Empfehlungen zum Absetzen von Statinen. Danach sollte man bei über 75-Jährigen mit einer bereits länger dauernden Therapie das Statin nicht allein aufgrund des Alters absetzen. Handelt es sich aber um Personen mit einer Lebenserwartung von weniger als einem Jahr, ist die Beendigung der Statintherapie angezeigt.
Die Evidenz der einzelnen Empfehlungen wurde zudem neu bewertet und in vier Grade eingeteilt: sehr gering, gering, moderat und hoch. Diagnose und Therapie der Hypertonie und des Vorhofflimmerns sind nicht mehr Gegenstand der neuen Leitlinie. Die Autorinnen und Autoren verweisen stattdessen auf die Nationale Versorgungs Leitlinie Hypertonie (nvl-009) und die S3-Leitlinie Vorhofflimmern (AWMF-Register-Nr. 019-014). Informationen zur kardiovaskulären Prävention für Patientinnen und Patienten wurden gemeinsam mit einem Patientenpanel erarbeitet und liegen in Türkisch, Russisch, Polnisch, Arabisch und Rumänisch vor.
S3-Leitlinie „Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention“; AWMF-Register-Nr. 053-024; www.awmf.org