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Kardiovaskuläre Erkrankungen erfordern Gendermedizin

Autor: Dr. Anja Braunwart

Herzerkrankungen liegen schon bei den 20- bis 44-jährigen Frauen auf Platz drei der häufigsten Todesursachen. Herzerkrankungen liegen schon bei den 20- bis 44-jährigen Frauen auf Platz drei der häufigsten Todesursachen. © iStock/monstArrr
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Weibliche Hormone schützen das Herz – unter dieser Prämisse hatte man gerade jüngere Frauen in der Kardiologie lange nicht auf dem Schirm. Ein Fehler, wie sich inzwischen zeigt.

Herzerkrankungen liegen schon bei den 20- bis 44-jährigen Frauen auf Platz drei der häufigsten Todesursachen. Beinahe jede Zehnte aus dieser Altersgruppe stirbt daran, betonte Privatdozentin Dr. Julia Erath-Honold, Klinik für Kardiologie, Angiologie, Nephrologie am Universitätsklinikum Frankfurt. Ab dem 45. Lebensjahr rücken kardiologische Krankheiten auf Platz zwei vor, wo sie bis zum 85. Lebensjahr hinter Krebs rangieren, ehe sie die Führung übernehmen.

Traditionelle Risikofaktoren sind etwa gleich bedeutsam für beide Geschlechter. Frauen haben aber ein größeres Risiko für

  • Myokardinfarkt und Herzinsuffizienz unter einem Diabetes,
  • Schlaganfälle, falls sie rauchen und orale Kontrazeptiva einnehmen sowie
  • Autoimmunerkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis).

Zudem kann sich etwa sieben Jahre nach Brustkrebs(-Behandlung) eine kardiovaskuläre Erkrankung manifestieren. Auch Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie, Gestationsdiabetes und -hypertonus, abnorme Gewichtszunahme, Frühgeburtlichkeit, niedriges Geburtsgewicht und besonders die peri-/postpartale Kardiomyopathie steigern die Herzgefahr. Was das Symptom Brustschmerz angeht, so stecken beim weiblichen Geschlecht viel häufiger nicht-obstruktive ischämische Erkrankungen dahinter, an die man denken muss. Dazu gehören die spontane Koronardissektion, das Takotsubo-Syndrom und das kardiale Syndrom X, auch als mikrovaskuläre Angina pectoris bekannt.

Das kardiale Syndrom X

Klinisch imponiert das kardiale Syndrom X als klassische Belastungsangina. Während der Attacken können ST-Streckensenkungen auftreten, koronare Spasmen lassen sich nicht provozieren. Klassische Risikofaktoren fehlen meist, pathophysiologisch liegt eine mikrovaskuläre/endotheliale Dysfunktion vor.

Fortbildungsmöglichkeiten zu Besonderheiten verbessern

Eine Herzinsuffizienz entwickeln Frauen öfter in der schwerer zu behandelnden Form mit erhaltener Ejektionsfunktion. Erschreckende Daten gibt es zur Versorgung von Notfällen: Frauen werden außerhalb von Kliniken weniger oft reanimiert als Männer. Grundsätzlich weisen sie initial deutlich seltener einen schockbaren Rhythmus auf. Nach allen bisher bekannten Fakten scheint es also geboten, den Geschlechtsunterschieden mehr Beachtung zu schenken, sagte Dr. Erath-Honold. Um die Situation zu bessern, sollte man unter anderem die Vorsorge für Frauen sowie Diagnostik und Therapie „ihrer“ Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausweiten (beispielsweise in Referenzzentren). Eine weitere Forderung: Das weibliche Geschlecht zu 50 % in Studien einschließen. Und schließlich wäre es wünschenswert, die Fortbildungsmöglichkeiten über die spezifischen kardiovaskulären Leiden zu verstärken.

Quelle: Rhein-Main Herztage 2021 (Online-Veranstaltung)