Symptomlast und Mortalitätsraten Verbesserte Schlaganfallversorgung durch Telemedizin

Autor: Dr. Miriam Sonnet

In den teleneurologischen Netzwerken arbeiten Expertinnen und Experten für Schlaganfall. In den teleneurologischen Netzwerken arbeiten Expertinnen und Experten für Schlaganfall. © Science Photo Library/PHANIE/BURGER

Bei einem Schlaganfall entscheidet eine schnelle und leitlinienkonforme Behandlung über Tod und Lebensqualität. Um regionale Lücken auszugleichen, wurde vor mehr als 20 Jahren eine entsprechende telemedizinische Versorgung begründet. Dass das Konzept aufgeht, zeigt ein Beispiel aus Bayern.

Besonders in ländlichen Gebieten ist der Zugang zu spezialisierten Stroke Units oft eingeschränkt. Umso wichtiger sind telemedizinische Schlaganfallnetzwerke. Stand 2020 gibt es davon 22 mit 43 Beratungszentren und 225 Tele-Stroke-Units. „Fast jeder zehnte Schlaganfallpatient wird telemedizinisch mitbeurteilt“, berichtete Claudia Wojciechowski, Telemedizinische Schlaganfallversorgung Ostsachsen am Universitätsklinikum Dresden. Entsprechende Netzwerke seien daher integraler Bestandteil der Versorgung in Deutschland. Am Beispiel Sachsen illustrierte sie die sechs Säulen der telemedizinischen Schlaganfallversorgung: Tele-Konsildienst, Tele-Stroke-Unit, Qualitätssicherung, Schulungen, interdisziplinäre Simulationstrainings und Standard Operation Procedures (SOP).

Im Jahr 2024 wurde die telemedizinische Schlaganfallversorgung erstmals explizit in einem Gesetzestext erwähnt (KHVVG* § 135e Abs. 3 SGB V). In Verbindung mit der Änderung der Musterberufsordnung im Jahr 2018 (Aufhebung des Fernbehandlungsverbots) bilde dies die Legitimation der telemedizinischen Schlaganfallversorgung – knapp 20 Jahre nach Beginn der Versorgungsform, so die Referentin. Insgesamt sei die telemedizinische Schlaganfallversorgung ein etabliertes und zukunftsweisendes Modell. Sie erfordere aber klare rechtliche Rahmenbedingungen, technische Standards und durchdachte organisatorische Konzepte.

Von 5.379 Betroffenen erhielten 477 eine i. v.-Lyse

Wie sehr Betroffene von dem Konzept profitieren, demonstrierte PD Dr. Florian Schöberl von der Neurologischen Klinik der LMU München anhand einer retrospektiven Studie des neurovaskulären Netzwerks Südwestbayern (NEVAS). Das Versorgungsgebiet umfasst ca. 2,9 Millionen Einwohner und verfügt über drei Comprehensive Stroke Centers als telemedizinische Beratungszentren. Er und sein Team analysierten das Outcome von 5.379 TIA- bzw. Schlaganfallbetroffenen, die zwischen 2014 und 2019 in vier regionalen Krankenhäusern des Netzwerks versorgt wurden. 477 Personen erhielten eine intravenöse Thrombolyse. Im Beobachtungszeitraum zeigte sich eine deutlich positive Entwicklung:

  • Die Mortalität sank von 13 % auf 5 %.
  • Der Anteil Betroffener mit einem Wert von 0–1 auf der modifizierten Rankin-Skala (mRS) stieg von 60,6 % auf 71,5 %.
  • Der Anteil derjenigen mit einem mRS 0–2 erhöhte sich von 79,1 % auf 84,9 %.
  • Die Rate symptomatischer intrazerebraler Blutungen blieb stabil auf einem niedrigen Niveau von rund 3 %.
  • Unerwünschte Ereignisse nahmen nicht zu.
  • Die intravenöse Thrombolysetherapie konnte sicher unter telemedizinischer Supervision verabreicht werden.
  • Hinsichtlich der Prozesszeiten (Door-to-Imaging und Door-to-Needle) gab es keine signifikanten Änderungen.

Auch während der COVID-19-Pandemie blieben Schlaganfallversorgung und Prozesszeiten stabil, betonte Dr. Schöberl.

In der Teleneurologie wiederum liegt der Schwerpunkt aktuell vor allem auf der akuten Schlaganfallversorgung in den Notaufnahmen, konstatierte Dr. Janina Behrens von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Mit der VISIT-STROKE-Studie wollten wir nun wissen, ob wir auch einen Schritt weiter in den postakuten Bereich und in die stationäre Schlaganfallversorgung gehen können.“ Ziel war es, die Nicht-Unterlegenheit von teleneurologischen Visiten gegenüber Vor-Ort-Visiten zu belegen. VISIT STROKE ist eine prospektive, multizentrische Studie, die zwischen Oktober 2022 und Juni 2025 an 15 Krankenhäusern aus vier Telestroke-Netzwerken durchgeführt wurde (siehe Kasten).

Details zu VISIT STROKE

Die Forschenden werteten die Daten von 501 Patientinnen und Patienten aus. Pro Person hatte es ein Konsil vor Ort sowie ein teleneurologisches Konsil gegeben. Die verschriftlichten Empfehlungen beider Visiten wurden in eine Datenbank eingetragen, pseudonymisiert und externen Gutachterinnen und Gutachtern zur Verfügung gestellt.

Die Ergebnisse der Studie waren erfreulich, stellte Dr. Behrens fest. Die teleneurologischen Konsile führten in 92 % der Fälle zu einer korrekten Beurteilung verglichen mit 54 % bei Vor-Ort-Visiten. Damit war die Teleneurologie Letzteren nicht nur nicht unterlegen, sondern sogar statistisch überlegen. 

Hoch qualifizierte Versorgung auch an den Wochenenden

Erklären lässt sich das unter anderem dadurch, dass in den teleneurologischen Netzwerken Kolleginnen und Kollegen arbeiten, die auf Schlaganfall spezialisiert sind, erläuterte Dr. Behrens. Außerdem gebe es regelmäßig Meetings, in denen aktuelle Studien und Vorgehensweisen diskutiert werden, die wiederum in die SOP einfließen. Teleneurologie ermögliche somit eine hoch qualifizierte Versorgung, auch an Wochenenden und in Ferienzeiten.

*Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz

Quelle: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie