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Posttraumatische Belastungsstörung Wenn das Trauma die Luft raubt

Autor: Friederike Klein

Die Study of Health in Pomerania (SHIP) zeigt Korrelationen zwischen PTBS und möglichen Asthmaanfällen. (Agenturfoto) Die Study of Health in Pomerania (SHIP) zeigt Korrelationen zwischen PTBS und möglichen Asthmaanfällen. (Agenturfoto) © Antonioguillem – stock.adobe.com
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Kindheitstraumata, posttraumatische Belastungs­störung und Stress erhöhen das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen – dafür gibt es mittlerweile viele Belege. Offenbar leiden aber auch die Atemwege nach einer Traumatisierung.

Zur Assoziation von traumatischen Erfahrungen mit Asthma bronchiale oder COPD gibt es bislang nur spärliche Evidenz. Auch was den Zusammenhang von posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) mit den beiden obstruktiven Atemwegserkrankungen angeht, ist noch nicht viel gesichert. Man hat zwar einige Längsschnittstudien, doch die basieren häufig auf den Selbstauskünften der Teilnehmer über eine vorhandene PTBS und Lungenkrankheiten. Wesentliche andere Einflussfaktoren wurden zu wenig berücksichtigt, kritisierte Prof. Dr. Carsten Spitzer von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Rostock. 

Studie aus Vorpommern liefert aussagekräftige Daten

In der Study of Health in Pomerania (SHIP), einem bevölkerungsrepräsentativen Studienprogramm in der Region Vorpommern, das bereits 1997 startete und im Quer- und Längsschnittdesign durchgeführt wird, hat man dagegen für eine hohe Datenqualität gesorgt. Neben computergestützten Interviews zu Gesundheit und Krankheit wurden in SHIP-I (2002–2006) auch körperliche Untersuchungen einschließlich Labor, DNA-Tests, EKG, Sonografie und Lungenfunktionstests durchgeführt. In dem untersuchten Kollektiv stellte sich eine ausgeprägte Assoziation von PTBS und anamnestisch berichteten kardiovaskulären und Lungenerkrankungen heraus, berichtete Prof. Spitzer. 

Bei 1.772 Probanden führte man eine Spirometrie durch. 857 von ihnen hatten kein Trauma in der Vorgeschichte angegeben, 887 dagegen traumatischen Stress erlebt. 28 erfüllten gemäß einem strukturierten klinischen Interview die Kriterien einer PTBS. Auch wenn potenzielle Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Größe, Soziodemografie, Rauchen, antiobstruktive Medikation, Panikattacken und negative Affektivität berücksichtigt wurden, stellte sich für PTBS-Patienten ein 7,8-fach erhöhtes Risiko für einen selbstberichteten Asthmaanfall heraus. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich bei ihnen in der Spirometrie eine Atemwegsobstruktion objektivieren ließ, lag um das 4,4-Fache höher. Für „nur“ traumatisierte Menschen zeigte sich dagegen lediglich ein schwach erhöhtes Risiko für beide Endpunkte. 

Dass sie ein Kindheits­trauma erlitten hatten, gaben in einer weiteren Stichprobe 350 von 1.386 Teilnehmern an. Bei ihnen war das adjustierte Risiko für einen selbstberichteten Asthmaanfall um den Faktor 4 erhöht. In der Spirometrie ergab sich allerdings kein Obstruktions­signal. 

PTSD kann Adhärenz negativ beeinflussen

Womöglich steigert die PTBS über eine subklinische Entzündungsreak­tion mit immunologischer Antwort das Risiko für obstruktive Atemwegserkrankungen, spekulierte Prof. Spitzer. Denkbar ist aber auch, dass PTBS und Asthma/COPD gemeinsame Pathomechanismen teilen, z.B. eine epigenetische Vulnerabilität. Wichtig für die klinische Praxis sind die potenziellen Auswirkungen, die PTBS auf Compliance und Therapieadhärenz bei Lungenerkrankungen hat. Wird z.B. ein empfohlener Rauchstopp umgesetzt? Erste Studienergebnisse deuten laut Prof. Spitzer darauf hin, dass die Behandlung der PTBS sowohl die klinischen Symptome von Asthma oder COPD als auch die Lungenfunktion bessern kann.

Quelle: Kongressbericht Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) -Kongress 2022