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Werden Hausgeburten zum Auslaufmodell?

Autor: Cornelia Kolbeck, Foto: Fotolia/famveldman

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Der Deutsche Hebammenverband (DHV) ist in der Zwickmühle. Weil mit dem GKV-Spitzenverband keine Einigung über den Ausgleich der gestiegenen Haftpflichtprämien erzielt wurde, musste das Schiedsamt entscheiden.

Das Schiedsamt – jeweils drei Vertreter von Kassen- und Hebammenseite sowie drei Unparteiische – bestimmte im September 2015, dass der GKV-Verband den freiberuflich tätigen Hebammen mit höheren Sicherstellungszuschlägen entgegenkommen muss.

Daraufhin initiierte dieser ein Ausgleichsverfahren, wonach jede Hebamme auf Antrag die Differenz erstattet bekommt. Je nach Versicherungshöhe wurden laut GKV-Spitzenverband bislang zwischen 3270 Euro für ein halbes Jahr und 6540 Euro für ein Jahr an die Antragstellerinnen überwiesen.

Der DHV ist dennoch unzufrieden. Für die in der Geburtshilfe tätigen Hebammen stelle die neue Form des Ausgleichs eine Verschlechterung dar, weil die bisherigen Vergütungen für Haftpflichtkosten wegfallen.

Auch habe der GKV-Spitzenverband – abweichend vom Schiedsspruch – die Konditionen so gestaltet, dass zahlreiche Hebammen diesen Ausgleich gar nicht beantragen könnten. Voraussetzung ist, dass mindestens eine Geburt pro Quartal abgerechnet wird. Manche Hebammen aber schaffen die Mindestvorgabe nicht.

GKV-Spitzenverband findet Reaktion "unverständlich"

Der Verband hat im Dezember wegen des Beschlusses der Schiedsstellen beim Sozialgericht Berlin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz eingereicht. Ein Schritt, den Johann-Magnus v. Stackelberg, Vorstandsvize des GKV-Spitzenverbandes, als "unverständlich" kommentiert.

Würde das Gericht dem Antrag stattgeben, könnten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die ebenfalls eingelegte Klage des DHV, mit der erst in einigen Jahren zu rechnen sei, überhaupt keine Zahlungen für den Haftpflichtausgleich mehr erfolgen.

Es geht den Hebammen aber nicht nur um die Ausgleichszahlungen. Problematisch findet der Verband auch die vom Schiedsamt definierten Ausschlusskriterien, nach denen die Krankenkassen die Kosten für eine Hausgeburt nicht übernehmen müssen. Das sei ein "unzulässiger Eingriff der Krankenkassen in das Berufsrecht der Hebammen und die Wahlfreiheit der Frauen".

Ein Ausschlusskriterium ist die Überschreitung des Geburtstermins um drei Tage. Die Schwangere muss einen Gynäkologen konsultieren, wenn die Hebamme die Hausgeburt abrechnen will. Der Arzt oder ein Team müssen bestätigen, dass für die Hausgeburt kein Risiko vorliegt.

Keine Verbesserung der Versorgungsqualität

Katharina Jeschke, Präsidiumsmitglied des DHV, sieht darin eine "willkürliche und unwissenschaftliche Festlegung". Inhaltlich richtig wäre es, sagt sie, wenn im Vertrag z.B. medizinische Befunde definiert würden, die die Hebamme zwingend bei der Anamnese zu berücksichtigen hätte und die in die Entscheidungsfindung zum sicheren Ort der Geburt einfließen müssten.

"Die Einführung von Ausschlusskriterien hat nichts mit einer Verbesserung der Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe zu tun, sondern bewirkt ihre Abschaffung", so Jeschke. Der DHV befürchtet, dass es mit dem Schiedsspruch zukünftig kaum noch Hausgeburten geben wird.

 

Zahl der freiberuflichen 
Hebammen ist gestiegen

 

Pro Jahr werden in Deutschland rund 700 000 Kinder geboren. Über 98 % von ihnen erblicken in Krankenhäusern das Licht der Welt, weniger als 2 % außerhalb von Kliniken.

Bei rund 0,5 % der Fälle handelt es sich um Hausgeburten. Trotz immer höherer Haftpflichtprämien steigt die Zahl der freiberuflich tätigen Hebammen. 2014 waren es 5018, im vergangenen Jahr 5121.


Quellen: Statistisches Bundesamt, GKV-Spitzenverband

Frauenärzte verweisen auf Risiken bei Komplikationen

Für Gynäkologen mag diese Aussicht positiv klingen. Sie sehen Hausgeburten kritisch. Der Berufsverband der Frauenärzte hat mehrfach die Risiken deutlich gemacht.

U.a. zeigen Statistiken der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe, dass fast 10 % der Schwangeren, die ihre Entbindung als Hausgeburt begonnen haben, nach unvorhergesehenen Komplikationen in die Klinik gebracht werden.

Der Frauenarztverband erinnert zudem daran, dass für hebammengeleitete Einrichtungen wie Geburtshäuser eine gründliche Abklärung durch weitere Diagnostik, fachärztliches Konsil, ggf. Teamentscheidung sowie eine spezielle Risikoaufklärung bei Überschreitung des Geburtstermins um drei Tage bereits vorgeschrieben ist.


Quelle: Medical-Tribune-Recherche

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