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Ab-/Aufschlag auf Vorhaltepauschale: Was zählt als Fall?

Autor: Anke Thomas, Foto: thinkstock

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Die zehnprozentigen Zu- und Abschläge auf die Vorhaltepauschale sind abhängig von der Fallzahl. Doch zählen Vertretung, HzV und atypische Leistungen mit?

Gerade in Baden-Württemberg und Bayern betreuen Hausärzte eine erhebliche Anzahl von Patienten, die in die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV) eingeschrieben sind. Zählen diese Fälle zur Berechnung des 10-prozentigen Auf-/und Abschlags auf die Vorhaltepauschale eigentlich mit, wollen Kollegen wissen.


Die HzV-Fälle zählen nicht mit, weil die KVen diese Fälle gar nicht kennen, erklärt Selektivvertragsprofi Dr. Werner Baumgärtner gegenüber Medical Tribune. Dahinter vermutet der Medi-Chef aus Baden-Würt­temberg Absicht: So gelänge es dem KV-System, die Hausarztverträge unattraktiver zu machen.

KV Bayerns zählt HzV-Fälle in kleinen Praxen mit

Jedenfalls ist es in den meisten Kassenärztlichen Vereinigungen so, dass die HzV-Fälle nicht mitgezählt werden. Ein außergewöhnliches Modell fährt allerdings die KV Bayerns. HzV-Patienten werden bei der 400-Scheinegrenze berücksichtigt, d.h. in kleinen Praxen mitgezählt.


Wenn keine anderweitigen EBM-Leistungen über die KVB abgerechnet werden, trägt der Arzt die Sonderziffer 88192 zur Kennzeichnung des HzV-Falles in die Abrechnung ein, teilt Stefan Schlosser, Honorarexperte der KVB-Zweigstelle Nürnberg, auf Anfrage mit, damit die KV die HzV-Fälle identifizieren kann. Bei der 1200-Grenze bzw. großen Praxen spielen die HzV-Scheine jedoch keine Rolle.


Um sicherzugehen, welche Regelung gilt bzw. ob auf- oder abgeschlagen wird, ist eine Nachfrage bei der eigenen KV nach den spezifischen Regelungen unerlässlich. Aber darf eine KV einfach so entscheiden, ob sie Selektivverträge ausschließt oder wie in Bayern, kleine Praxen begünstigt, große jedoch nicht?


KV und HzV laufen unabhängig voneinander, sagt Rechtsanwalt Maximilian Guido Broglie. KVen müssen HzV-Fälle also bei der Fallzahlzählung nicht berücksichtigen.

Entscheidend ist, ob GKV- Leistungen erbracht wurden

Dass die KV Bayerns eigene Wege geht, liegt in ihrem Ermessen, bekräftigt Rechtsanwältin Stefanie Pranschke-Schade, auch wenn die Regelung merkwürdig klingt. Aus juristischer Sicht sei auch nichts daran zu bemängeln, so die beiden Juristen, dass nur ein Patient mehr im Quartal einer großen Praxis 1700 Euro mehr Honorar bescheren kann (1201. Patient im Quartal).


Sobald jedoch Kassenleistungen bei einem HzV-Patienten (z.B. Labor, EBM-Leistungen außerhalb des HzV-Ziffernkranzes) anfallen, wird der Fall wieder gezählt.


Das gilt im Übrigen automatisch für Vertreterscheine oder Fälle, in denen „atypische“ Leistungen (z.B. Akupunktur) erbracht werden. Denn laut EBM-Präambel 3.1. Punkt 11 und § 21 Absatz 1 und 2 Bundesmantelvertrag zählen alle Fälle mit, bei denen Leistungen auf Kasse erbracht wurden.


Das sehen KVen teilweise anders. So teilte die KV Westfalen-Lippe gegenüber Medical Tribune mit: Vertreterscheine werden nicht bei der Zählung berücksichtigt. Diese Auskunft können weder Stefanie Pranschke-Schade noch die Abrechnungsexperten Rüdiger Brauer und Dr. Gerd W. Zimmermann nachvollziehen.


Zu beachten ist allerdings: Es wird neben der Nr. 03010 oder neben atypischen Leistungen keine Vorhaltepauschale zugesetzt, ergo gibt es hier auch keinen 10-prozentigen Zu- oder Abschlag.


Dazu folgendes Beispiel: Ein Arzt, der 1150 reguläre Patienten hat und 51 Vertreterfälle (oder davon auch Fälle mit atypischen Leistungen), erhält den Zuschlag auf die Vorhaltepauschale von 10 %, da er 1201 Fälle im Quartal vorweisen kann.

Honorarbescheide unbedingt kontrollieren

Da aber nur die Nr. 03000 die Vorhaltepauschale auslöst und nicht die Nr. 03010 (oder atypische Leistungen), erhält der Arzt lediglich auf die 1150 „normalen“ Scheine den Zu- oder Abschlag. Deshalb sieht die Rechnung folgendermaßen aus: 1150 x 1,40 Euro (10 % von 14 Euro Vorhaltepauschale) = 1610 Euro extra für das Quartal.


Da KVen die Fallzahlzählung unterschiedlich durchführen und die Nr. 03040 sowie die altersabhängigen Versichertenpauschalen automatisch zugesetzt werden, rät Pranschke-Schade dazu, Honorarbescheide auf Fallzahl(-zählung), Vorhaltepauschale und Zu- bzw. Abschläge hin zu kontrollieren.


Auch sollten Ärzte checken, ob Vertreterscheine, Fälle mit „atypischen“ Leistungen oder HzV-Fälle mit zusätzlichen GKV-Leistungen mitgezählt wurden, damit kein Honoraranspruch verloren geht.

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