Anzeige

Schmerztherapeutin wird der Einstieg in eine hausärztliche Praxis verwehrt

Niederlassung und Kooperation Autor: Petra Spielberg

Sozialgericht hat über Unter-/Überversorgung in der Landeshauptstadt zu entscheiden. Sozialgericht hat über Unter-/Überversorgung in der Landeshauptstadt zu entscheiden. © fotolia/hydebrink
Anzeige

Ein Allgemeinarzt und Schmerztherapeut möchte eine junge Kollegin als Schmerztherapeutin anstellen. Dafür will er einen verwaisten Hausarztsitz in einem 13 km entfernten Stadtteil erwerben. Obwohl Zulassungs- und der Berufungsausschuss grünes Licht geben, bleibt die KV Hessen beim Veto und geht vor Gericht.

Alles ließ sich zunächst gut an. Ende 2015 erhielt der in Wiesbaden-Sonnenberg niedergelassene Anästhesist, Allgemeinarzt und Schmerztherapeut PD Dr. Kai-Uwe Kern von der KV Hessen die Genehmigung, eine junge allgemeinärztliche Kollegin in der Speziellen Schmerztherapie auszubilden. Nach erfolgreichem Erwerb der Zusatzbezeichnung wollte Dr. Kern die Kollegin gerne als Assistentin in seiner Praxis beschäftigen. Er beantragte bei der KV eine Genehmigung und bewarb sich um die Übernahme eines rund 13 km entfernt gelegenen verwaisten haus-ärztlichen Vertragsarztsitzes.

Die KV in Frankfurt lehnte die Verlegung des Sitzes innerhalb Wiesbadens jedoch mit der Begründung ab, dass dann die hausärztliche Versorgung im Vorort Mainz-Kostheim nicht mehr sichergestellt werden könne. Zugleich bestehe im Planungsbereich Wiesbaden bereits eine hausärztliche Überversorgung.

Der hessische Zulassungsausschuss sah die Sache gleichwohl anders und genehmigte die Übernahme des Vertragsarztsitzes von Dr. Ulrike Berg durch den Allgemeinarzt Dr. Kern zum 1. September 2016. Die Ärztin sei ins benachbarte Gustavsburg gezogen, von wo sie ihren alten Patientenstamm weiterhin versorgen könne, sodass keine Versorgungslücke in Mainz-Kostheim entstehe, heißt es in der Begründung des Zulassungsausschusses.

KV stellt sich gegen Zulassungsausschuss

Die KV beharrte jedoch auf ihrer Position und legte gegen den Beschluss Widerspruch beim Berufungsausschuss ein. Dr. Kern kann das nicht nachvollziehen: "Die KV Hessen hat monatelang nichts unternommen, um zu verhindern, dass Frau Dr. Berg und ihre Kollegin wegen Mietkündigung und mangels neuer Praxisräume trotz intensiver Suche auf die andere Rheinseite abwandern mussten."

Auch verkenne die KV, dass er in den letzten 15 Jahren seiner niedergelassenen Tätigkeit nicht hausärztlich tätig war und dass auch die neue Kollegin ausschließlich schmerztherapeutisch tätig sein wolle und es somit zu keiner allgemeinärztlichen Überversorgung an seinem Praxisstandort kommen könne. "Es ist vielmehr so, dass insgesamt eine schmerztherapeutische Unterversorgung existiert, die dazu führt, dass Patienten zur Versorgung in meiner Praxis mitunter Entfernungen bis zu 100 km in Kauf nehmen müssen und in fast allen schmerztherapeutischen Praxen lange Wartezeiten bestehen", erklärt Dr. Kern.

Ende August 2016 kam auch der Berufungsausschuss zu dem Ergebnis, dass sich die Versorgungssituation in Mainz-Kostheim durch die Verlegung des Arztsitzes nicht verschlechtern werde. Er lehnte somit den Widerspruch der KV ab.

Die KV reichte gegen den Beschluss des Berufungsausschusses Klage beim Sozialgericht Marburg ein. Über ihre Wiesbadener Geschäftsstelle ließ sie Dr. Kern zudem telefonisch ausrichten, dass er seine Assistentin ab diesem Tag nicht mehr beschäftigen dürfe. "Meine Verpflichtung zu Gehaltszahlungen bis zum Vertragsende und die damit beschlossene Arbeitslosigkeit der Kollegin und Mutter von zwei Kindern sind der KV offensichtlich gleichgültig", so Dr. Kern.

Auf seine Forderung, ihm diese weitreichende Entscheidung schriftlich mitzuteilen, hatte er auch nach zwei Monaten noch keine Antwort. Mit Verweis auf den laufenden Rechtsstreit wollte sich die KV gegenüber Medical Tribune nicht zur Sache äußern. Mit dem Wiesbadener Beratungscenter der KV, das Dr. Kern dabei unterstützt hatte, den verwaisten Sitz zu erwerben, ist der Kollege übereingekommen, die junge Schmerztherapeutin bis zur Gerichts­entscheidung zunächst als Sicherstellungsassistentin in seiner Praxis weiter beschäftigen zu dürfen.

Hängepartie betrifft auch die Praxisabgeberin

Sollten die Marburger Richter letztendlich im Sinne der KV entscheiden, könnte sich dies auch für die Haus­ärztin Dr. Berg negativ auswirken, da sie neben dem unverschuldeten Standortwechsel finanzielle Nachteile in Kauf nehmen müsste. "Für uns bedeutet dieser Vorgang, dass die designierte Nachfolge nicht vollzogen wird, eine Nachbesetzung innerhalb der kommenden sechs Monate nicht erfolgen wird und dass wir von unseren Ansprüchen faktisch enteignet werden", so die Allgemeinärztin. Die Gerichtsverhandlung soll im Januar stattfinden.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

Anzeige