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AMNOG: Verordnen wir unwirtschaftlich?

Autor: Dr. Günther Gerhardt

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Von AMNOG zu Amok: Wie die Neuzulassung von Medikament zur Falle für Niedergelassene wird und was man tun müsste, um vor Regress zu schützen, schreibt unser Kolumnist Dr. Günter Gerhardt.

So harmlos wie das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) zunächst klingt, ist es nicht. Wir werden mal wieder verarscht, liebe Kolleginnen und Kollegen!

In den letzten Wochen erreichen uns in den Praxen eigenartige Briefe von pharmazeutischen Unternehmen, die uns mitteilen, dass sie bestimmte Präparate außer Vertrieb gesetzt haben, weil ihrem Molekül nach Durchlaufen des AMNOG-Verfahrens kein Zusatznutzen zugesprochen wurde und man sich mit dem GKV-Spitzenverband nicht auf einen Erstattungsbetrag einigen konnte.

„Na und“, sagen Sie, „da wurden mir doch schon Therapiealternativen angeboten.“ Und der Ärger mit den Patienten wird je nach Gesinnung auf die Politik oder die Pharmaindustrie abgewälzt. Doch so einfach ist das nicht.

Dann halt was anderes verschreiben: So einfach ist es nicht

Viele von uns wissen nachvollziehbarerweise nicht, was „AMNOG“ ist (ein neues Medikament? – fragte ein Kollege), und glauben, es würde sie nicht tangieren. Weit gefehlt! Das AMNOG gibt es seit dem Jahr 2011. Es verpflichtet die Pharmaunternehmen, den Zusatznutzen für neue Arzneimittel nachzuweisen und innerhalb eines Jahres den Preis des Arzneimittels mit der GKV zu vereinbaren.

Kommt keine Einigung zustande, entscheidet eine Schiedsstelle mit Wirkung ab dem 13. Monat nach Markteinführung über den Arzneimittelpreis. Das bedeutet, es wird – ganz gleich ob Zusatznutzen oder nicht – ein Arzneimittelpreis festgesetzt. Der müsste ja eigentlich wirtschaftlich sein – und wir Verordner damit raus aus der Regressfalle.

Das wäre eine Regelung, die auch unseren Nachwuchs motivieren würde, sich ohne Angst vor einem Arzneimittelregress niederzulassen. Diese Angst steht nämlich ganz vorn in der Rankingskala „Hinderungsgründe für eine Tätigkeit in eigener Praxis in Deutschland“. Doch es gibt, wenn es sich um „die Wirtschaftlichkeit“ handelt, mal wieder das berühmte „Ja, aber …“.

Angst vor Regress ist Hauptgrund sich nicht nieder zu lassen

So zog jüngst die KBV auf dem Hauptstadtkongress nach drei Jahren AMNOG ein kritisches Fazit dergestalt, dass uns die frühe Nutzenbewertung und die Vereinbarungen von Erstattungsbeträgen nicht vor Regressen schützen!

Wir müssten drei Phasen unterscheiden:
1. Zwischen dem Vermarktungsstart eines Arzneimittels und der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über den Zusatznutzen genießt der Arzt Vertrauens­schutz: Das Produkt ist wirtschaftlich (allerdings mahnen manche KVen zu zurückhaltendem Einsatz).
2. Verneint der G-BA einen Zusatznutzen, ist das Mittel bis zur Erstattungsbetragsfestlegung unwirtschaftlich.
3. Wird bei einem Arzneimittel ohne Zusatznutzen der Erstattungsbetrag auf den Preis der zweckmäßigen Vergleichstherapie festgelegt, ist das neue Mittel wirtschaftlich.

So weit, so gut, jetzt aber kommt die erneute Verarschung. Bei Arzneimitteln mit Zusatznutzen und Erstattungsbetrag muss nach Subgruppen differenziert werden: Wird das Arzneimittel in einer Subgruppe mit hohem Zusatznutzen verordnet, ist es wirtschaftlich.

Hat der Gemeinsame Bundesausschuss aber nur einen geringen oder keinen Zusatznutzen erkannt, kann die Verordnung unwirtschaftlich sein und einen Regress begründen. Der Arzt muss also die Entscheidung des G-BA genau kennen und eine korrekte Zuordnung der Patienten-Subgruppen vornehmen.

Einfache Regelung: Wirtschaftlich unabhängig vom Zusatznutzen

Wie und wann, bitte schön, sollen wir das noch machen? Unser Nachwuchs wendet sich mit Grauen ab vom Standort Deutschland! Unsere Forderung kann nur sein: Mit dem Start der Vermarktung eines Arzneimittels und der später folgenden Festsetzung eines Erstattungsbetrags – egal ob mit oder ohne Zusatznutzen – ist der Einsatz eines neuen Medikaments wirtschaftlich!

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich, Mitglied im Gesundheitsausschuss, geht davon aus, dass wir eine gesetzlich verankerte Verordnungssicherheit bekommen müssen nach der einfachen Formel: ausgehandelter Erstattungsbetrag = wirtschaftliche Verordnung!

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