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Bahr trifft Ärzte – will die KV den FDP-Wahlkampf unterstützen?

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr stellte sich auf einer Veranstaltung der KV Hessen den Fragen der Niedergelassenen. Die Landespolitiker sind verschnupft und vermuten Wahlkampfhilfe.

Auf Einladung der KV spricht der Bundesgesundheitsminister knapp drei Wochen vor der Wahl vor Ärzten über seine gesetzgeberischen Leistungen und darüber, wie es künftig weitergehen könnte. Ist das eine KV-finanzierte Wahlkampfhilfe für die FDP?

Daniel Bahr weiß jedenfalls solche Gelegenheiten zu nutzen, um sich als Verfechter liberaler Werte und Teil einer erfolgreichen Regierung darzustellen. Dafür gibt‘s Applaus.

Der Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte beschwerte sich schon im Vorfeld über die KV-Veranstaltung im Flughafen-Hotel. Die Körperschaft dürfe sich nicht in den Wahlkampf einmischen, indem sie den Minister bzw. die FDP gegen eine Bürgerversicherung zu Felde ziehen lasse.

Auch hessische Landespolitiker zeigten sich über die exklusive Einladung der KV verärgert; SPD und Grüne ließen sich vom CDU-Sozialminister über den Abend und seine Kosten Bericht erstatten. Die KV versuche, Ärzte und Politiker miteinander ins Gespräch zu bringen, erklärte KV-Chef Frank Dastych; das sei ein Auftakt gewesen. Auch Bahr gab sich verwundert: Ob wohl auch von Wahlhilfe gesprochen worden wäre, wenn mit Ulla Schmidt als Ministerin solch eine Veranstaltung stattgefunden hätte?

Legislaturperiode ohne Leistungskürzungen im Gesundheitswesen

Bahr gab sich erwartungsgemäß als Freund der Freiberuflichkeit zu erkennen, der auf Wahlfreiheit statt Zwang und die regionale Selbstverwaltung statt Zentralismus vertraut. Es sei eine Legislaturperiode ohne Leistungsstreichungen im Gesundheitswesen gewesen, betonte er; die GKV erzielt sogar Überschüsse und bezahlt nun Satzungsleistungen wie OTC-Präparate und Osteopathie. Es sei auch Bürokratie abgebaut worden – siehe Streichung der Praxisgebühr. Den Landärztemangel hat Bahr im Blick. Eine Hoffnung zielt auf Zulassung motivierter Studenten, die sich nicht nur über ihre Abiturnote für die Medizin qualifizieren.

Standortbestimmung von Bundesärztekammer und Ärzteverbänden zur Bundestagswahl

Zwölf Punkte umfasst das Posi­tionspapier der Bundesärztekammer zur Bundestagswahl. „Die Bürgerversicherung stärkt ausschließlich die Macht der Krankenkassen. Das lehnen wir ab“, heißt es darin. Die GOÄ-Reform ist überfällig – inklusive eines Ausgleichs für 30 % Inflation seit 1996. Alle Zuwendungen der pharmazeutischen und der Geräteindustrie an Ärzte und andere Beteiligte müssen offengelegt werden; dafür soll die Politik eine Regelung schaffen. Die Bekämpfung von Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen soll im Strafgesetzbuch und nicht im Sozial­gesetzbuch verankert werden.

 


Die Allianz Deutscher Ärzteverbände, an der u.a. BDI, Hartmannbund, Medi Geno und NAV-Virchow-Bund beteiligt sind, spricht sich ebenfalls gegen die Bürgerversicherung aus. Gegen den Ärztemangel helfen Faktoren wie ein angemessenes Honorar, familiengerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen und die Förderung von Neuniederlassungen. Die Allianz ist für die Verpflichtung der GKV, bestimmte Versorgungsverträge abschließen zu müssen. Sie schlägt die Kostenerstattung auch als Wahlmöglichkeit für Ärzte vor sowie ein Gremium, das angesichts knapper Ressourcen dabei hilft, einen „neuen Leistungskatalog“ zu definieren.


Das Schwärmen des Ministers über das leistungsfähigste Gesundheitswesen der Welt kam einer Zuhörerin wie die Geschichte von „Alice im medizinischen Wunderland“ vor. Dabei seien es die Ärzte, die z.B. den Unmut der Patienten über immer wieder wechselnde Rabattvertragsarzneimittel auffangen müssten.

Die Forderung eines Hausarztes, dass der Regressdruck bei Verordnungen komplett von den Ärzten genommen werden müsse, konterte Bahr mit dem Hinweis, die Krankenkassen würden ihm schon jetzt nachsagen, dass er diese Sanktion abgeschafft habe. „Von mir aus können wir auf Regresse verzichten“, so Bahr, allerdings müsse sichergestellt sein, dass die Ärzte wirtschaftlich handeln. Bei der Frage nach einer Förderung der Kostenerstattung in der nächsten Legislaturperiode blieb der Minister jedoch zurückhaltend.

Bahr ist ein Redner, der auch skeptische Zuhörer einfängt

Sein Plädoyer umfasste eine bessere Bezahlung für bessere Leistungen. Neben der freien Arzt-, Krankenhaus- und Therapiewahl ist ihm an mehr Freiheiten bei der Wahl der Krankenversicherung gelegen. Kritisch äußerte sich der Minister dagegen über den GKV-Spitzenverband. Dessen Treiben sollte nur auf die wirklich bundeseinheitlich zu regelnden Sachverhalte beschränkt werden.

Anderthalb Stunden Zeit hatte der FDP-Politiker für die hessischen Ärzte eingeplant, am nächsten Morgen erwartete ihn die Kanzlerin in der Ministerrunde, abends dann ein Auftritt vor nordrheinschen Ärzten.

Etliche Ärzte, die den Minister in Frankfurt erstmals live erlebten, zeigten sich von seiner rhetorischen Brillanz, seinem Sachwissen und seiner Positionierung beeindruckt. Einer sprach ins Saalmikrofon: „Ihre Rede war sehr schön. Wir hoffen, dass Sie in der nächsten Periode uns und dem Land helfen können.“ Klingt am Ende doch wie eine gelungene Wahlkampfveranstaltung.

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