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Bewährt sich Cannabis als Medikament?

Autor: CG

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Cannabis gegen Übelkeit, bei Schmerzen oder Kachexie können deutsche Kollegen heute problemlos verschreiben.

 

Doch wer kennt sich mit den Nebenwirkungen aus? Haben medizinisch THC-Behandelte die gleichen Begleiterscheinungen wie Haschraucher?

Seit 1998 verkehrsfähig, seit kurzem von deutschen Pharmafirmen in den Apotheken vertrieben: Cannabis hält Einzug in die medizinische Therapie. Wie es sich auf lange Sicht bewährt, hängt entscheidend von seiner Verträglichkeit ab, betonte Professor Dr. Lukas Radbruch von der Klinik für Palliativmedizin der Universitätsklinik Aachen gegenüber Medical Tribune. Er hat die Nebenwirkungen von "THC als Medikament" mit Hilfe zweier Übersichtsarbeiten und "Medline" recherchiert und auch schon eigene Erfahrungen gemacht.

Bei Schwangeren sollte wegen eines möglichen kanzerogenen Risikos für das Kind auf Cannabis verzichtet werden.

Wie rezeptieren?

Zum Patienten gelangt Cannabis nur per Betäubungsmittelrezept, verordnen dürfen Sie 9-Tetrahydrocannabinol mit einer Höchstgrenze von 500 mg pro Rezept für den Bedarf von 30 Tagen. Allerdings gibt es immer mal wieder Probleme mit der Kostenübernahme von Seiten der Kassen, welche die Indikation für solch eine Therapie in Zweifel ziehen, berichtet Prof. Radbruch. Was die Patienten selbst angeht, so stehen die meisten nach Erfahrung des Palliativmediziners der Cannabinoid-Therapie sehr aufgeschlossen gegenüber. Einige lehnen sie aber wegen ihrer Assoziationen mit Drogen ab.

Unter stabiler Einstellung fahrtauglich

Angefangen beim ZNS: High-Gefühl, Euphorie, enthemmte Gesprächigkeit und Lachen werden häufig berichtet, selten treten aber auch Dysphorie und Depressionen auf, ebenso Angst, Panikanfälle sowie Gefühle von Realitätsverlust. Mitunter leiden die kognitiven Fähigkeiten des Patienten, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen können zusammen mit veränderter motorischer Koordination und langsamerer Reaktion die Fahrtauglichkeit einschränken - bereits am unteren Ende des therapeutischen Bereichs (5 mg THC), so Prof. Radbruch.

Wer THC chronisch als Medikament einnimmt, scheint allerdings auf Dauer in seiner Leistung viel weniger eingeschränkt zu sein, wie Studien mit psychomotorischen Tests zeigen. Das entspricht der Erfahrung bei Patienten unter Opioidmedikation, die bei stabiler Einstellung durchaus fahrtauglich sind. Über die Beteiligung von Cannabis-therapierten Patienten an Verkehrsunfällen wurde bislang jedenfalls nicht berichtet.

Vorsicht bei Herzkranken

Psychosen auslösen kann die THC-Behandlung allein offenbar nicht - wohl aber bei Schizophrenie-Patienten die Erkrankung verstärken bzw. bei familiär Vorbelasteten psychotische Episoden zum Ausbruch bringen.

Am Herz-Kreislauf-System bewirken Cannabinoide eventuell Tachykardie und Blutdrucksteigerung, aber auch Hypotonien durch Vasodilatation. Dadurch steigt das Herzzeitvolumen um bis zu 30 %, was jungen, gesunden Marihuana-Konsumenten in der Regel nichts ausmacht, Herzkranke aber in die Dekompensation treiben kann. Über ischämische Komplikationen wurde vereinzelt berichtet.

Bronchial- und Lungenschäden, die man dem THC anlastet, gehen in Wahrheit zumeist aufs Konto des Cannabis-Rauchens. Und was das Immunsystem angeht, so beobachtete man hemmende Effekte nur im Tierversuch, jedoch nicht beim Menschen. HIV-Positive etwa gehen unter Cannabis kein erhöhtes Risiko einer Aids-Erkrankung ein.

Zur medizinisch indizierten Langzeittherapie, so der Kollege, gibt es bislang kaum Daten. In der eigenen Schmerzambulanz hat Prof. Radbruch THC mehrfach eingesetzt. Von 15 Patienten, so eine erste Auswertung, brachen acht die Therapie ab. Zwei wegen Wirkungslosigkeit, die übrigen wegen Nebenwirkungen. Ein 73-Jähriger beispielsweise, der THC (5 mg/die) wegen stärkster neuropathischer Schmerzen erhielt, sah plötzlich weiße Mäuse. Eine 52-Jährige mit Mammakarzinom und Rippenmetastasen wurde zu benommen und entwickelte beim Absetzen sogar Entzugssymptome.

Euphorie günstig für Krebskranke?

Das Fazit des Kollegen bis jetzt: Cannabinoide bergen laut Literatur nicht die Gefahr lebensbedrohlicher Komplikationen. Die Euphorie als Begleiteffekt könne bei Tumorpatienten sogar erwünscht sein. Als erste Wahl bezeichnet Prof. Radbruch die Substanz dennoch nicht, da andere Nebenwirkungen eine effektive Langzeittherapie oft verhindern. THC stelle eine Alternative dar für Patienten, bei denen sich Übelkeit, Erbrechen oder Schmerzen mit anderen Maßnahmen nicht genügend lindern lassen.

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