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Die Spontanheilung, ein erklärbares Wunder?

Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

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Steife Hüfte, schlimme Schmerzen, die Op. scheint unumgänglich. Plötzlich wird der Patient von selbst gesund, sogar das Kernspin o.B. MT-Kolumnistin Dr. Cornelia Tauber-Bachmann fragt sich, wie es zu solchen Heilungen kommt.

Eine sehr ruhige, geradezu meditative Beschäftigung ist das Kneten.

Und während ich den Teig für den Geburtstagskuchen meines Sohnes mit kräftigen Bewegungen bearbeite und kurz darüber nachsinniere, wieso ein simpler Rührkuchen nicht zu den Lieblingssorten meines Sohnes gehört und wieso er Kuchen, die den vollen körperlichen Einsatz seiner Mutter erfordern, bevorzugt, fällt mir die gestrige Begegnung mit einem Patienten ein. Er litt viele Monate unter schweren und sehr schmerzhaften Hüftgelenksbeschwerden. Ja, litt! Ich schreibe ganz bewusst in der Vergangenheit.


Denn als ich ihm im Supermarkt begegnete, grüßte er mich freundlich und blieb stehen, um mir mitzuteilen, dass er seit einigen Wochen überhaupt keine Beschwerden mehr habe und laufen könne wie ein junger Mann. Auf meine Frage, welche Therapie er erhalten habe, strahlte er mich an und sagte: „Keine.“

Fitnessdemonstration im Supermarkt

Hausmittel? Alternative Heilmethoden? Heilpraktiker? Geistheiler? Lourdes- Wallfahrt? Nein, ganz von selbst seien seine Schmerzen weggegangen und er könne seine Hüfte wieder frei bewegen. Er demonstrierte es mir sogar, soweit das im vorösterlichen Supermarktgedränge möglich war.

 
Ich erinnerte mich: Mit der Diagnose „Arthrose“ waren seine Schmerzen und seine Bewegungseinschränkung nicht erklärbar; er hatte mehrere Orthopäden, Rheumatologen und Chirurgen, ja sogar einen Psychiater konsultiert, kannte alle radiologischen Praxen mit MRT in der näheren und weiteren Umgebung – selbstverständlich auch die entsprechenden Abteilungen von zwei Unikliniken – und war ab und an zur Verschreibung von Krankengymnastik oder Medikamenten bei mir in der Sprechstunde aufgetaucht. Weil nichts wirklich half und sich einige Weichteilveränderungen fanden, hatte er sich schließlich zur Operation entschlossen.

Operation ist geplant und plötzlich sind die Schmerzen weg

Alles war durchgeplant: Op.-Tag festgelegt, sein Wunsch-Einzelzimmer zugesichert, alle ambulanten Reha-Termine schon vereinbart ... und da hatte er auf einmal keine Beschwerden mehr! Auch die im MRT festgestellten Weichteilveränderungen waren nicht mehr nachzuweisen! Eine Spontanheilung!?


Nun wird ja in der medizinischen Literatur, mehr in der Onkologie der Begriff „Spontanheilung“ verwendet, das ist schon klar. Aber für mich fällt die Krankengeschichte dieses Patienten auch unter die Bezeichnung „Spontanheilung“. Das vollständige Verschwinden der Beschwerden ist nicht eindeutig erklärbar, so werden viele Spekulationen geradezu provoziert: von der Minderung der Belastung über Änderung des Bewegungsmusters, Rückgang einer möglichen Entzündung im Körper, Angst vor der Operation bis hin zu allgemeiner Stoffwechselumstellung, Fehlregulation der Neurotransmitter und vieles mehr ...


Aber das sind doch letztlich alles nur Erklärungsversuche für etwas, das wir nicht nachweisen und nachvollziehen können. Und das ist ja gerade das Spannende daran. Was würde ich darum geben, wenn mir die Wissenschaft plausibel die­se „Spontanheilungen“ erklären könnte! Nun, das bleibt ein weites Forschungsfeld für kommende Mediziner-Generationen.

Ein Wunder - direkt vor der eigenen Nase

Doch vielleicht sind diese Vorgänge auch gar nicht erklärbar oder erforschbar. Möglicherweise fallen sie unter die Kategorie „Wunder“? Und während mir von der ungewohnten Bewegung des Teigknetens zunehmend Arme und Schultern weh tun, freue ich mich für den Patienten, der nun schmerzfrei laufen kann –  auch wenn wir Mediziner uns das nicht als Therapieerfolg „auf die Fahnen schreiben“ können. Wunder – oder wie auch immer wir dieses Phänomen bezeichnen – passieren halt nicht nur im Himmel, sondern manchmal direkt vor unserer Nase auf der Erde.

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