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Dr. Margareta Kirsch: Zwei Tage in der Zweitpraxis in Luxemburg

Gesundheitspolitik Autor: Antje Thiel

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Dr. Margareta Kirsch ist Gynäkologin und führt gemeinsam mit einer Kollegin eine Praxis im saarländischen Merzig. 2006 gründete sie zusätzlich eine Praxis im luxemburgischen Remich.

Die Idee hierzu kam Dr. Kirsch aufgrund einer Kleinanzeige im saarländischen Ärzteblatt. "Darin bot ein pfiffiger Vermieter unter dem Motto ‚Machen Sie Ihre eigene Gesundheitsreform’ Räumlichkeiten zur Praxisgründung in Luxemburg an", berichtet die Ärztin.

Sie mietete die Räume an und ließ sich nieder, alle Formalitäten waren binnen dreier Monate erledigt. "Dank meiner Kollegin ist unsere hiesige Praxis ja immer besetzt, daher musste ich die zweite Praxis weder bei der KV anmelden, noch genehmigen lassen."

Nur 20 Autominuten bis zur Zweitpraxis im Nachbarland

Weil im luxemburgischen Gesundheitswesen alle offiziellen Dokumente auf Französisch abgefasst sind, musste sie eine Sprachprüfung ablegen und erhielt dann die Zulassung durch die luxemburgische Ärztekammer. Das war für die Saarländerin, die Französisch als erste Fremdsprache gelernt hat, kein Problem.

 

Seither ist Dr. Kirsch an zwei Tagen pro Woche in Remich, seit Anfang dieses Jahres arbeitet auch ihre Nichte mit in ihrer Zweitpraxis. Von Merzig aus braucht sie mit dem Auto 20 Minuten bis zu ihren Räumen.

Mit ihren Patientinnen spricht Dr. Kirsch in der Regel Deutsch oder Französisch. Berührungsängste gab es von Anfang an nicht – eher im Gegenteil: "Luxemburg hat eine geringere Arztdichte als Deutschland, alle Fachrichtungen werden gesucht.

Patienten müssen oft ein halbes bis ganzes Jahr auf einen Routinetermin beim Facharzt warten, sie sind also nicht sonderlich verwöhnt."

Kostenerstattung und gute Zahlungsmoral der Patienten

Beim Vergleich der beiden Gesundheitssysteme fallen der Gynäkologin etliche Vorteile in Luxemburg auf. Da wäre zum einen die Kostenerstattung. Alle Luxemburger sind über eine einheitliche staatliche Krankenkasse, die Caisse Nationale de Santé (CNS), krankenversichert.

Die Beiträge belaufen sich auf etwa 6 % des Lohns und werden zu gleichen Teilen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezahlt. "Direkt nach jedem Arztbesuch erhält der Patient eine Rechnung, die er bei der CNS einreicht und dann – je nach Art der Behandlung – zu 80 bis 100 % erstattet bekommt", berichtet Dr. Kirsch.

Die Abrechnung erfolgt für alle Patienten nach einer einheitlichen Gebührenordnung, die laufend an den Index der Lebenshaltungskos­ten angepasst wird. "Ärzte sind also nicht vom guten Willen der Politik oder vom Verhandlungsgeschick der KVen abhängig. Ihr Honorar steigt automatisch und parallel zu den Lebenshaltungskosten."

Positivliste: Sehr wichtige Medikamente werden zu 100 Prozent erstattet

Bei Arzneimitteln richtet sich die Erstattungshöhe nach der Einstufung des Medikaments in der offiziellen Positivliste. So werden "sehr wichtige" Medikamente (z.B. Krebs-, Diabetes- und Blutdruckmedikamente, Macumar® oder Impfstoffe) vollständig von der Krankenkasse übernommen, bei Arzneimitteln für die "normale Behandlung" (z.B. Statine, Kortison, Antibiotika, Rheuma- oder Hormonpräparate) werden 80 % erstattet.

Für Medikamente mit "geringem therapeutischem Nutzen" (z.B. Laxanzien, Diazepam, Cremes, Nasen- und Augentropfen oder Aspirin) gibt es nur 40 % Kostenerstattung. Zusatzversicherungen bei privaten Versicherern zur Deckung der Eigenanteile seien aber vergleichsweise günstig, so Dr. Kirsch.

Ihrer Erfahrung nach ist die Zahlungsmoral der Patienten gut: Etwa 70 % bezahlen noch am Behandlungstag in der Praxis, 25 % überweisen den fälligen Betrag innerhalb von vier Wochen und bei 5 % müssen Mahnungen geschrieben werden.

Nach drei erfolglosen Mahnungen kann der Arzt sich sein Honorar abzüglich des Eigenanteils des säumigen Zahlers von der Krankenkasse erstatten lassen.

Ärztliches Handeln steht hier nicht unter Generalverdacht

Sympathisch findet Dr. Kirsch auch das Formularwesen: "Es gibt im Prinzip nur drei wichtige Formulare." Die "Ordonnance" fungiert als Rezept, Verordnung, Laborauftrag oder Überweisung. Das Rechnungsformular enthält die Gebührenziffer der Leistung, einen Freitext und den Betrag.

In die AU-Bescheinigung muss ein von 65 zweistelligen luxemburgischen Diagnose-Codes für die Krankenkasse eingetragen werden. "Auch wenn es natürlich sehr sinnvoll ist, mit einer Praxissoftware zu arbeiten, für den Betrieb einer Praxis reichen eigentlich die drei Formulare, ein Kugelschreiber und ein Arztstempel", sagt Dr. Kirsch.

Doch die schlanke Bürokratie ist nicht der Hauptgrund, warum sich die Kollegin im Großherzogtum wohlfühlt: "Es gibt in Luxemburg so etwas wie ein grundsätzliches Vertrauen in die ärztliche Tätigkeit. Und zwar sowohl vonseiten des Ministeriums als auch der Krankenkassen. Wer hier als Arzt arbeitet, von dem wird einfach erwartet, dass er es nach den Regeln der ärztlichen Kunst tut."

Ärzte müssen sich fortbilden, aber keine Punkte dafür sammeln. Sie müssen ordentliche Geräte vor- und die Hygienestandards einhalten, doch es kommt deswegen kein Kontrolleur.

"Es ist sehr angenehm, nicht unter diesem typisch deutschen Generalverdacht zu stehen", meint Dr. Kirsch. "Ich kann genauso arbeiten, wie ich es mir erträumt habe, als ich voller Illusionen mit dem Studium begann."

Ärzte dürfen keinerlei Werbung machen

Allerdings muss man sich eine Niederlassung trauen und finanziell leisten können. "Ich zahle in Remich für 60 qm genauso viel Miete wie in Merzig für 200 qm", berichtet Dr. Kirsch. Zudem sollte man einen guten Namen mitbringen, denn Ärzte dürfen keinerlei Werbung machen.

Wie lange Dr. Kirsch ihre Luxemburger Praxis weiterführen kann, steht und fällt mit der Nachfolgersuche für die Gemeinschaftspraxis in Merzig: "Meine Kollegin ist 60 Jahre alt und möchte nicht mehr lange weiterarbeiten. Ich bin zwar ebenso alt, möchte die Arbeit aber noch lange nicht an den Nagel hängen und auch gern noch ein paar Jahre in Luxemburg tätig sein."

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