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Drogensubstitution: Ärzte dringend gesucht

Gesundheitspolitik Autor: Ruth Bahners

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Ärzte für die Substitutionstherapie dringend gesucht –

das ist die Situation in einem Therapiezweig, der trotz seiner Erfolge immer noch unter einer Stigmatisierung leidet. Dabei lohnt sich die Therapie sowohl medizinisch als auch wirtschaftlich.

 

2013 wurden hierzulande laut Substitutionsregister des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 77 300 Patienten substitutionstherapeutisch behandelt.

Damit wird jeder zweite Heroinabhängige von entsprechenden Behandlungs­angeboten erreicht, so Marlene Mortler, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung.

Suchterkrankungen mit Stigma behaftet

Während die Zahl der Patienten stieg, ist die Zahl der Ärzte stagnierend bis rückläufig. Im Jahr 2013 haben rund 2700 Ärzte die Substitution durchgeführt, 2007 waren es rund 100 Ärzte mehr. Das Potenzial ist mit mehr als 8000 Ärzten, die eine suchttherapeutische Qualifikation erworben haben, deutlich höher.

Das überwiegend beim BfArM gemeldete Substitutionsmittel ist Methadon, allerdings werden Bu­prenorphin und Levomethadon seit zehn Jahren verstärkt eingesetzt.

Nach Auffassung von Professor Dr. Markus Backmund, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin, ist die Zurückhaltung der Kollegenschaft vor allem auf das "Stigma" zurückzuführen, mit dem Suchterkrankungen noch immer behaftet sind.

Gesetzeslage schreckt Ärzte ab

Zudem sähen sich die substituierenden Ärzte mit einer Gesetzeslage konfrontiert, die sie mit Geldstrafe, Entzug der Approbation oder gar Haftstrafen bedrohe.

Deshalb fordert der Deutsche Haus­ärzteverband einen runden Tisch, um rechtssichere Lösungen zu finden. Auf der Fachebene des Bundesgesundheitsministeriums werde bereits intensiv über mögliche Änderungen der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften diskutiert, so Marlene Mortler.

Der Nutzen der Substitutionstherapie sei mittlerweile erwiesen, meint Dr. Thomas Helms, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Stiftung für chronisch Kranke. Diese Therapie stabilisiere die Lebensverhältnisse vieler Patienten, sie würden seltener straffällig und könnten häufig einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, wie erste Ergebnisse der Subscare-Studie, einer Langzeitstudie unter Leitung von Dr. Helms, zeigen würden.

Das bestätigt auch Dr. Knut Krausbauer, Vorsitzender der BUB-Kommission in Nordrhein, zuständig für die Genehmigung von Substitutionsbehandlungen, und selbst in der Substitution erfahrener Hausarzt aus Krefeld.

Als Dr. Krausbauer vor 25 Jahren in die Substitution einstieg, waren es vor allem HIV-positive Opiatabhängige, die mithilfe der Substitution erst the­rapiefähig wurden. Inzwischen betreut er regelmäßig 40 Substitutionspatienten.

Keine Akzeptanzprobleme mit anderen Patienten

Bei keiner anderen Gruppe hat Dr. Krausbauer das Gefühl, so gebraucht zu werden wie bei diesen suchtkranken Patienten. 60 % dieser Patienten hätten frühe sexuelle Missbrauchserfahrungen, die sie in die Sucht getrieben hätten.

Akzeptanzprobleme mit den anderen Patienten gebe es nicht. Dazu bedürfe es aber einer guten Praxis­organisation und manchmal auch "einer klaren Kante" gegenüber den Suchtpatienten, so Dr. Krausbauer. 

Zudem lohne sich das Ganze auch wirtschaftlich. "Ich würde es wieder tun", so Dr. Krausbauer. Aber auch er weiß aus seiner Tätigkeit als Kommissionsvorsitzender um die Versorgungsengpässe, vor allem auf dem Land.

KV: Anreize mit der Gebührenordnung setzen

Neben der zu geringen Zahl substituierender Ärzte gibt auch deren Altersstruktur Anlass zur Sorge. Im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe z.B. ist der Großteil der substituierenden Ärzte 56 bis 65 Jahre alt; ihre Patienten dagegen sind zum größten Teil 31 bis 45 Jahre alt. "Das bedeutet, dass nach dem Ausscheiden von über 66 % der Ärzte die große Zahl der Patienten nach wie vor substituiert werden muss", so die KV.

Nach ihrer Auffassung könnten auch Änderungen der Gebührenordnung helfen, neue Ärzte für diese Aufgabe zu gewinnen. So sei die Abrechnungsmöglichkeit von maximal vier ärztlichen Gesprächen im Quartal mit je 12 Euro zu niedrig; eine Abrechnungsziffer
für die Take-Home-Vergabe für sieben Tage – wie im Bereich der KVWL – sollte bundesweit eingeführt werden.

Der Initiativkreis Substitutionstherapie unter Leitung von Prof. Backmund ruft vor allem Hausärzte und Psychiater auf, sich an der Substitutionstherapie zu beteiligen. Zur Unterstützung von neuen Kollegen bietet der Initiativkreis unter anderem Mentorennetzwerke an.

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