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Ein Gesetz jagt das nächste – alles zu unseren Lasten

Autor: Dr. Günter Gerhardt

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Krankenhäuser werden mit einem Milliardenprogramm gefördert, im niedergelassenen Bereich hingegen wird gespart. Laut Dr. Günter Gerhardt gehörten Krankenhausreformen noch nie zu den Spargesetzen.

Ein Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Gesundheitsausschuss hat dieser Tage erklärt: "Die KBV schießt sich selbst ab, das schwappt auf die KVen über. Damit wird das KBV-/KV-System für die Politik gut handhabbar. Wir können jetzt alles störungsfrei regeln."

»Das KV-System wird für die Politik gut handhabbar«

Genau diesen Eindruck hat man derzeit. Ein Gesetz jagt das nächste, alles zu unseren Lasten. Und anschließend sind es die gleichen Politiker, die nach Lösungen suchen, unserem Nachwuchs die Niederlassung schmackhaft zu machen. Merkt denn da keiner, dass sich dieser Nachwuchs ob dieser Entwicklung mit Grauen abwendet?

Und dann diese Verschlimmbesserungen, wie jetzt beim Antikorruptionsgesetz: Die Bundesregierung will unbedingt den Kreis der Strafantragsberechtigten erweitern auf alle Träger gesundheitsbezogener Leistungen. Je mehr Personen bzw. Institutionen aus unserem "Freundeskreis" zu den Strafantragsberechtigten gehören, desto sicherer kann man sein, dass die Anzeigenmaschinerie schnell und erfolgreich in Gang kommt. Wir können gespannt sein, welches Votum der Bundesrat am 18.12.15 abgeben wird.

Weil das alles so störungsfrei klappt, hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe weitergemacht: Die Krankenhäuser werden mit einem Milliardenprogramm gefördert, gespart wird im niedergelassenen Bereich, Krankenhausreformen waren noch nie Spargesetze!

Als Sahnehäubchen obendrauf gibt man noch dem Drängen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) nach und beauftragt die KVen mit der Errichtung von Portalpraxen an Krankenhäusern als erste Anlaufstelle für die Notfallversorgung. Falls das nicht geht, sollen die Ambulanzen im Krankenhaus in den vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst eingebunden werden.

Obacht, das sind nicht die Bereitschaftsdienstzentralen, die es bereits gibt, oft in unmittelbarer Nähe zu oder am Krankenhaus. Die finanzieren wir selbst, sie gehören zum Sicherstellungsauftrag der KV, was Patientenversorgung rund um die Uhr bedeutet. Genauso werden ab 2016 noch zusätzlich (!) die Portalpraxen bzw. die Krankenhausambulanzen finanziert werden, also aus unserem KV-Topf. Leisten können wir uns das nicht, aber das Gesetz ist verabschiedet.

Was tun? Die KBV will die Öffentlichkeit informieren. Die freut sich, ist doch mit dem Gesetz ein liebgewonnener Trampelpfad endlich in Beton gegossen. Nein, wir müssen uns gemeinsam richtig wehren mit z.B. Mittwochsdemons­trationen, Dienst nach Vorschrift, = Versorgung wie am Wochenende, und ähnlichen Aktionen.

Nur zur Klarstellung: Wenn Krankenhausärzte in Bereitschaftsdienstzentralen Dienst tun, geschieht das unter "unserer" Regie und hat nichts mit dem Krankenhaus bzw. der DKG zu tun.

Vielen Kolleginnen und Kollegen in den Praxen und Krankenhäusern ist diese Diskussion lästig und man hört so Sätze wie "wir sind doch alles Kollegen". Das stimmt zwar, aber die niedergelassene Ärzteschaft muss sich dagegen wehren, dass hier durch eine geschickte Politik der DKG, der ein Sicherstellungsauftrag der KVen schon immer ein Dorn im Auge war, genau dieser Coup gelingt – mit einer in der Folge weiteren Aufweichung, Aushöhlung des Sicherstellungsauftrages.

»Portal­praxen können wir uns nicht 
leisten«

Unsere Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus werden das übrigens nicht im Portemonnaie bemerken. Ihr Gehalt erhöht sich mit Portalpraxen um nicht einen Cent. Wir werden es so direkt auch nicht bemerken, wohl aber künftig durch eine schlechtere Vergütung unserer Leistungen, wie das seit Jahren schleichend geschieht. Dies wird häufig nicht richtig bemerkt, weil unser Einkommen mit einer falschen Datenbasis schöngerechnet wird. Doch verabreden Sie mit Ihrem Steuerberater mal eine betriebswirtschaftliche Ergebnisrechnung!

Zurück zu den Portalpraxen: Wir Niedergelassenen und auch die Klinikärzte wollen diese breite Öffnung der Krankenhäuser nicht, haben aber nur wenig Einfluss auf die Inanspruchnahme der Klinik­ambulanzen, wohl aber die Krankenkassen, die das Morbiditätsrisiko tragen. Sie und die Politik müssen ihren Mitgliedern bzw. der Bevölkerung vermitteln, dass der Weg in die Klinikambulanzen – mit Ausnahme weniger Notfälle – nur über die niedergelassene Ärzteschaft bzw. deren Bereitschaftsdienstzentralen möglich ist. Die Klinikambulanzen sind eben nicht die erste Anlaufstelle für alle Patientenanliegen.

Die Argumentation, warum das so ist, kann nur über den Geldbeutel erfolgen, sprich: Eine breite Öffnung der Krankenhäuser ist nur möglich mit einer Erhöhung des Krankenkassenbeitrages. Wenn Öffentlichkeitsarbeit, dann muss das die Kernbotschaft sein.

Wir müssen uns wie immer auch an die eigene Nase greifen: Es muss Schluss sein mit einer weiteren Reduzierung von Praxiszeiten. Wir sollten auch überlegen, ob unsere Praxen an mehreren Tagen hintereinander geschlossen sein müssen, wie dies alljährlich zu Weihnachten passiert. Mit einem Überlaufen der Bereitschaftsdienstzentralen spielen wir nur den Befürwortern von Portalpraxen im Krankenhaus in die Hände. Genauso kann es nicht sein, dass auf Anrufbeantwortern zu hören ist: "Im Notfall wenden Sie sich bitte an das örtliche Krankenhaus."

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