Anzeige

Flüchtlinge: Ärzte wünschen sich von Politik mehr Unterstützung

Autor: Anke Thomas, Foto: fotolia/Jürgen Hüls

Anzeige

„Wir fühlen uns alleingelassen“, bringt Dr. Hans-Joachim Helming die Stimmung der Ärzte bei der Versorgung von Flüchtlingen auf den Punkt.

In einem offenen Brief hat Dr. Helming, Chef der KV Brandenburg den brandenburgischen Ministerpräsidenten Dr. Dietmar Woidke aufgefordert, endlich zu handeln.

Die medizinische Versorgung von Flüchtlingen obliegt in den ersten 15 Monaten nicht der Kassenärzt­lichen Vereinigung, sondern den Ländern und Kommunen, stellt Dr. Helming klar. Dennoch würden KVen die Ärzte bei ihrer Arbeit so weit als möglich unterstützen. Die Probleme der Kollegen in den Praxen seien wegen der großen Zahl an Flüchtlingen mittlerweile massiv.

"Die Behandlung ist zeitintensiv", sagt Dr. Helming, "und das nicht nur aufgrund von Sprachschwierigkeiten." Ärzte hätten die KV angeschrieben, weil sie in ihren Praxen auch schon mit Tuberkulose- oder HIV-Fällen konfrontiert wurden.

Trotz positiver Tests in Wohnheimen aufgenommen

So sei z.B. bei einem 14-jährigen Mädchen aus Albanien der übliche Test auf Mycobacterium tuberculosis positiv ausgefallen. Ohne weitere Konsequenzen sei das Mädchen dennoch in das Übergangswohnheim (ÜWH) aufgenommen worden.

Eine schwangere Somalierin landete ebenfalls mit positivem Testergebnis im ÜWH. Zufälligerweise bemerkte das Landratsamt den Infektions-Befund der Frau und informierte das Heim.

Den 23 Monate alten Sohn der Frau schickte das ÜWH daraufhin zu einem niedergelassenen Arzt, der die Versorgung des Jungen übernahm. Informationen vom öffentlichen Gesundheitsdienst erhielt der Kollege nicht, auch nicht die Mutter betreffend.

Die dreijährige Tochter einer HIV-infizierten Kamerunerin wurde zwar auf HIV negativ getestet, der öffentliche Gesundheitsdienst sah aber keine Veranlassung, eine TB-Diagnostik vorzunehmen, zählt Dr. Helming einige Beispiele auf, mit denen Kollegen konfrontiert wurden.

Die niedergelassenen Ärzte fühlen sich verpflichtet zu handeln und müssen wissen, wer sich um diese Kranken kümmert, wer die weitere Behandlung übernimmt und wer die Verantwortung trägt, schildert der KV-Chef die Probleme aus den Praxen.

Sozialämter lassen sich mit der Bezahlung sehr viel Zeit

Auch berichteten Ärzte, dass sich die Sozialämter mit der Bezahlung der medizinischen Leistungen sehr viel Zeit ließen oder einfach nur einen Behandlungsschein ausstellten und dann gar nicht bezahlten.

Weder das brandenburgische Gesundheits- noch das Innenminis­terium haben auf die Probleme der Ärzteschaft reagiert, so Dr. Helming, der in seinem offenen Brief an den Ministerpräsidenten Dr. Woidke die Landespolitik auffordert, endlich zu handeln. Schließlich gehe mit der mangelhaften Versorgungsorganisation auch eine erhebliche Gefährdung der Gesellschaft und der Asylbewerber selbst einher.

Flüchtlingsfamilien würden zum Teil ohne oder mit inkompletter Tuberkulosediagnostik regelhaft in größerer Zahl in Übergangsheime und deren Kinder dann in Schulen, Horte und Kindergärten aufgenommen.

Gesundheitskarte bringt Ärzten keine Entlastung

Die Asylsuchenden sollten in den Unterkünften durch Mitarbeiter des Gesundheitsamts oder freiwillige Ärzte geimpft werden, damit zumindest eine Grundimmunisierung vorhanden ist, lautet etwa eine Forderung der KV Brandenburg.

Das Land und die Kommunen sind untätig, weil sie auf die Einführung einer Gesundheitskarte ähnlich dem Bremer Modell hoffen, sagt Dr. Helming. Damit aber würden höchstens die Sozialämter entlastet, da sie nicht mehr mit der Ausstellung von Scheinen beschäftigt wären.

An der derzeit teils schlechten medizinischen Versorgung und den Problemen ändert die Karte aber nichts, ist der KV-Chef überzeugt. Und auch der Leistungsumfang, auf den Asylbewerber Anspruch haben, werde mit der Gesundheitskarte nicht geklärt.

Anzeige