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Honorarkonvergenz: Zahler und Empfänger sind unzufrieden

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Es kracht im Gebälk der Kassenärztlichen Vereinigung. Immer schärfer wird der Ton der KBV-kritischen Funktionäre. Jüngster Anlass ist eine weitere Honorar­umverteilung zwischen den Ländern. Der Riss geht tief.

Bundes- und Landespolitiker müssen sich Gedanken machen, welchen ärztlichen Standesvertretern sie beim geplanten Versorgungsgesetz Unterstützung bieten sollen.  Auf der einen Seite ist die KBV. Sie darf sich bei ihren Vorschlägen zur Honorarangleichung 2013 bis 2015 (sog. Konvergenz), der freiwilligen Einführung der Ambulanten Kodierrichtlinien ab dem 1. Januar 2012 und der „weitestgehenden Regionaliserung der Gesamtvertragskompetenz und Honorarverteilungsautonomie“ auf einen mehrheitlich zustande gekommenen Beschluss ihrer Vertreterversammlung berufen.

FALK spielt in der KBV die Oppositionsrolle

Auf der anderen Seite stehen die in der Gruppe FALK (Freie Allianz der Länder-KVen) vereinten KV-Führer aus Bayern, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und – bröckelnd – Hessen, die für sich in Anspruch nehmen, die Interessen von 50 000 Vertragsärzten zu vertreten  und die mit dem „Berliner Zentralismus“ über Kreuz liegen. Sie werden die Politiker im Bund und vor allem die Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne) beackern, dass es mit der allseits beschworenen Regionalisierung der KV-Kompetenzen nicht viel werden wird, wenn KBV und Bewertungsausschuss dafür die wesentlichen Vorgaben machen.

Konkret geht es darum: Die KBV-VV hat sich auf ein Maßnahmenpaket geeinigt, dass der Vorstand in die Gesetzgebung einspeisen soll. Das konnte der Saal-Auszug von Delegierten der FALK-KVen nicht verhindern. Die Opposition hat maximal ein Drittel der 60 VV-Stimmen.

Der KBV-Vorschlag sieht eine Wiederherstellung der regionalen Gesamtvertragskompetenz und Honorarverteilung vor. Im Gesetz soll eine „KV-spezifische ausschließlich diagnosebasierte Veränderungsrate“ für die Gesamtvergütungen verankert werden. Deren Höhe als empfohlene Untergrenze für die regionalen Verhandlungen beschließt der Bewertungsausschuss. Die AKR sollen frühestens zum Jahreswechsel freiwillig eingeführt werden. Es sollen so viele Leistungen wie möglich als Einzelleistung vergütet werden.

Als „letztmalige Angleichung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung je Versicherten“ soll für die Jahre 2013 bis 2015 bei der KBV ein Topf gebildet werden, in den jede KV jährlich maximal 0,5 Prozentpunkte ihres prozentualen Honorarzuwachses des Vorjahres einzahlt. So könnten insgesamt bis zu 500 Mio. Euro eingesammelt werden, die über ein „diagnosebasiertes, morbiditätsspezifisches, kassenübergreifendes und patientenbezogenes Aufteilungsmodell“ – das noch festzulegen ist – an die KVen zurückfließen. Keine KV soll leer ausgehen. Als echte Gewinner werden Nordrhein und Westfalen-Lippe, Rheinland-Pfalz, aber auch Hessen gehandelt.

500 Mio. Euro: Zu viel oder zu wenig des Guten?

Dennoch ist der Landesverband der Praxisnetze NRW enttäuscht. Verbands-Chef Dr. Heinrich Miks fordert Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr auf, das Konvergenzkonzept abzulehnen. Es liefere keine gerechte Mittelverteilung und zementiere die NRW-Versorgungspauschalen nach der Konvergenzphase dauerhaft auf niedrigem Niveau. Auch mit der Medi-Spitze will er wegen der Politik von FALK sprechen.

Zudem ist ungewiss, ob die Annahmen und Stellschrauben, die KBV-Vorsitzender Dr. Andreas Köhler seinem Modell zugrunde legt, so funktionieren wie kalkuliert. Zumal vermutlich jede KV versuchen wird, die Abzugsgrundlage zu minimieren, indem sie mit den Krankenkassen in ihrem Land mehr Leistungen vereinbart, die außerhalb der Morbi-Gesamtvergütung bezahlt werden.

Der Beschluss in der KBV-Klausursitzung kam ohne lange Aussprache zustande. Da die Truppenmehrheit schon am Vorabend festgestellt worden war, ließ ein Geschäftsordnungsantrag auf Schließen der Rednerliste den Gesang der „Vögel“ verstummen. Die FALKen flogen aus. In Pressemitteilungen werfen sie der KBV „Hinterzimmerpolitik“ vor; die KBV-Vertreterversammlung sei eine „Farce“ gewesen, die Mehrheiten spiegelten nicht das Gewicht der KVen wider. Andere Beobachter sprechen dagegen bei dem FALK-Auszug von „Theater“.

Die öffentliche KBV-Vertreterversammlung am 30. Mai in Kiel im Vorfeld des Deutschen Ärztetages bietet Gelegenheit für weitere Gefechte.

Dr. Wolfgang Eckert, Chef der KV Mecklenburg-Vorpommern, möchte, dass die KBV ihren Köperschaftsstatus verliert und zu einer Arbeitsgemeinschaft der KVen mutiert (analog zur BÄK). Es gibt auch Gedankenspiele, was passieren würde, wenn die KVen von Bayern und Baden-Württemberg ihre Verwaltungskostenumlage an die KBV vorübergehend auf ein Sperrkonto zahlen würden, bis diese wieder die Interessen „aller“ vertritt. Das könnte z.B. dadurch erreicht werden, dass Beschlüsse künftig einer doppelten Mehrheit – nach VV-Stimmen und nach KV-Mitgliederanteilen – bedürfen.

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