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Ich habe meinen Patienten Zombie genannt?

Autor: Dr. Frauke Höllering

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Wie wichtig eine gute Kommunikation im gesamten medizinischen Bereich ist, erläutert Dr. Frauke Höllering anhand mehrerer Beispiele.

Als mein Jüngster sich zu einem Studiengang namens "Communication Management" einschrieb, war ich zunächst skeptisch. Sollte er etwa Teil jener Masse sein, die "Irgendwas mit Medien" studieren wollte, ohne zu wissen, was eigentlich genau? Seine Studienjahre machten auch mich schlauer und öffneten mir den Blick dafür, wie wichtig gute Kommunikation im gesamten medizini­schen Bereich ist – und wie oft diese schmerzlich vermisst wird.

Ein Beispiel: Letzte Woche wurde einer meiner Lieblingspatienten vom Schicksal heftig gebeutelt. Bei ihm diagnostizierte man ein Lymphom, nachdem ein massiv geschwollener Lymphknoten in einer chirurgischen Abteilung entfernt worden war. Kurz zuvor hatte ihm ein Internist noch strahlend versichert, dass alles in bester Ordnung sei – der Kollege hatte sich nur um das etwas arrhythmische Herz gekümmert, was dem Patienten jedoch nicht klar war.

Mittags dann trudelte die chir­urgische Chefvisite in fröhlichem Gleichmut ein. Das zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegende histopathologische Ergebnis wurde nicht erwähnt. Kein Wunder, dass mein Patient guter Dinge war!

Doch abends rief er mich völlig aufgewühlt an: "Ich habe Krebs, und man kann nichts mehr für mich tun", sagte er erschüttert. Was war geschehen? An besagtem Abend hatte sich der Stationsarzt ermannt und ihn zu einem Gespräch gebeten. Chirurgisch gäbe es nichts mehr zu tun, eröffnete er ihm, da es sich um einen Blutkrebs handele.

"Und jetzt?", so die entsetzte Frage meines Patienten. "Sie können bleiben oder gehen", hatte der Stationsarzt erwidert – zwar grundsätzlich die richtige, aber in dieser Situation keinesfalls die passende Antwort.

Im Schock dieser unerwarteten Diagnose gingen offenbar einige weitere Informationen unter: Man würde einen Onkologen hinzuziehen und es gebe zwar keine chir­urgische, aber doch eine chemotherapeutische Möglichkeit, dem Lymphom Paroli zu bieten.

»Auch ich 
bin schon in böse Fallen getappt«

Nun sind viele Chirurgen nicht unbedingt geschult im geschliffenen Umgang mit Wörtern; mit geschliffenem Stahl kennen sie sich wohl besser aus. Aber auch ich als Hausärztin mit einem Faible für die deutsche Sprache bin schon in böse Kommunikationsfallen getappt.

Niemals vergessen werde ich folgenden bedenklichen Fauxpas: Irgendwann traf ich beim Bier einen jüngeren Bekannten, den ich lange nicht mehr in der Praxis gesehen hatte. "Wo hast du denn gesteckt?", fragte ich ihn leutselig. "Du hast mich so geschockt, ich gehe nicht mehr zu dir", war die überraschende Antwort. "Du hast gesagt, ich sähe aus wie ein Zombie!" Mein kerniges, gut genährtes Gegenüber sah eher superlebendig aus. Was hatte ich da verzapft?

Plötzlich fiel es mir wieder ein. Er wollte damals gegen allerlei Hautprobleme ein Kortisonpräparat. Das verweigerte ich ihm – insbesondere, weil er gleich eine 100g-Tube erwerben wollte. Es war schwer, ihn von dem Kortikoid abzubringen, weil ein von seiner Mutter "geerbtes Tübchen" ihm zuvor gegen allerlei Hautunreinheiten gute Dienste geleistet hatte.

»Nur Zombie 
gehört, der Rest 
ging unter«

Ich habe bei derartigen Gelegenheiten immer eine Patientin vor Augen, die ich vertretungsweise betreute: Sie nutzte über viele Jahre ein Kortisonpräparat als "Hautpflege", ihr Unterhautfettgewebe war völlig atrophiert, die Blutgefäße schimmerten wie durch Pergament. "Sie sieht aus wie ein Zombie", sagte ich damals sinngemäß zu meinem Patienten, "und das soll dir nicht passieren!"

In dieser Situation verstand er wohl nur "Zombie", der Rest ging offenbar unter. So hatte er mich missverstanden und ich ihn nachhaltig vergrault. Feinfühlige Ärztinnen sollten nicht von "Zombies" sprechen ... Dazugelernt!

Auch mir stellt fehlende – sprich unterlassene – Kommunikation hin und wieder ein Bein, wie etwa an jenem Abend, als ich mich über einen extrem ruhigen Bereitschaftsdienst freute: Skeptisch geworden, rief ich nach einigen Stunden meinen Anrufbeantworter an, der mir freundlich eine falsche, weil alte Handynummer ansagte. Mittlerweile schleppte ich nämlich stolz ein Smartphone mit neuer Nummer mit.

Das alte Gerät samt alter Nummer war zum Ersatzhandy degradiert und lag in der Schublade. Das aber hätte ich meinen Mitarbeiterinnen kommunizieren müssen! Schnell reaktivierte ich das Ersatzgerät und machte ein paar Rückrufe.

Sogar professionelle Kommunikatoren können sich in ihren eigenen Wortspielen verheddern. Wo ein Sprachjongleur über die "complexe Erkrankung Erkältung" aufklären wollte, sah ich drei Tage lang einen ärgerlichen Schreibfehler. Erst in einer schlaflosen Nachtstunde dämmerte es mir: Stellte die Firma nicht ein Erkältungsmedikament her, dessen Name "complex" beinhaltete? Zu spät kam die Erkenntnis; die Broschüren hatte ich längst entsorgt, weil sie meinen Sprachsinn beleidigten.

Und außerdem: Gerade reist mein Sohn mit Freundin und Rucksack durch den aufgewühlten Nahen Osten. Ich wünschte mir, er würde mal wieder mit mir kommunizieren!

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