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KBV-Chef analysiert Folgen des Versorgungsstrukturgesetzes

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Der Entwurf des Versorgungsstrukturgesetzes durchläuft jetzt das parlamentarische Verfahren. Doch KBV-Chef Dr. Andreas Köhler muss sich bereits Gedanken zur Umsetzung machen. Denn diese hat für die Niedergelassenen zum Teil gravierende Folgen, z.B. auf den Praxiswert.

Dr. Köhler informierte Anfang September die Vertreterversammlung der KV Rheinland-Pfalz über den Stand der gesetzgeberischen Aktivitäten, mögliche Auswirkungen auf Honorare und Versorgung sowie die Einflussnahmeversuche von Bundesländern, KBV und Kassen auf den weiteren Feinschliff am Gesetz.

Baustelle Bedarfsplanung: Sie soll vom Gemeinsamen Bundesausschuss reformiert werden. Neue Planungsbereiche sind festzulegen sowie die zu „beplanenden“ Arztgruppen und neue Verhältniszahlen. Die heutigen Aussagen zu Über- und Unterversorgung basieren auf Relationen aus dem Jahr 1991.

Die KBV macht sich nun zusammen mit Berufsverbänden Gedanken, für welche Arztgruppen eine Planung erfolgen soll. Soll beispielsweise die Planung alle Internisten umfassen oder ist nach den Schwerpunkten zu planen? Sollen die Facharzt-Internisten ohne Schwerpunkt eigenständig beplant werden – oder ist ihnen gar nochmals eine Wahloption für den haus­ärztlichen Bereich zu eröffnen? Solche Fragen gibt es auch für den Bereich Nervenheilkunde/Psycho. Ferner unterliegen derzeit nicht alle Fachgruppen der Bedarfsplanung. Sollen auch Radiologen, Labor­ärzte, Pathologen u.a. aufgenommen werden? Grundsätzlich gilt, so Dr. Köhler: Die Einbeziehung in die Bedarfsplanung erhöht den Praxiswert.

Und auf welchen Zeitpunkt ist abzustellen? Nimmt man Ende 2010, resultieren daraus laut Dr. Köhler 7600 offene Arztsitze bei den Haus­ärzten, 7200 bei den Psychotherapeuten und 14 000 bei Fachärzten. Bei einem so weit offenen Tor „verfällt der Wert der Praxen“, stellt Dr. Köhler fest. Eine Alternative wäre: Das Jahr 2000 als Basis wählen, die demografische Entwicklung draufpacken und einen „closed shop“ machen. Die Entscheidung dazu, so Dr. Köhler, muss Anfang 2012 fallen.

Bei Überversorgung die kleinen Praxen kaufen?

Der Praxiswert ist auch für die KVen ein Thema. Nach Angaben des KBV-Chefs plant das Bundesgesundheitsministerium, das vorgesehene Vorkaufsrecht der KV bei abzugebenden Arztsitzen in überversorgten Gebieten in eine „Vorkaufspflicht“ umzuwandeln. Die soll allerdings erst dann greifen, wenn eine vorherige Bedarfsprüfung die Verzichtbarkeit der Praxis ergeben hat. Die Kaufentscheidung hat der KV-Vorstand (nicht die VV) zu treffen.

In den Fokus der Aufkaufbemühungen der KVen könnten vor allem „extrem kleine Praxen“ mit weit unterdurchschnittlichen Fallzahlen rücken, von denen es offenbar erstaunlich viele gibt. Sie sind billiger.

Einen Seitenhieb hat der KBV-Chef hier für MVZ parat, die nicht „voll umfänglich“ tätig werden; z.B. versorge ein Berliner MVZ mit 49 Ärzten nur 6000 Fälle im Quartal. Ein Versorgungsargument, das vielleicht noch bei geplanten Arztsitzverlegungen in MVZ eine (ablehnende) Rolle spielen wird. Gleichwohl fordert der KBV-Chef die Möglichkeit, dass sich auch reine Hausarzt-MVZ bilden können.

Unzufrieden ist Dr. Köhler mit der vorgesehenen Regelung für die Bundesländer, per Ersatzvornahme und auf Kosten der KV weitere Praxen zuzulassen. „Wer bestellt, bezahlt“, fordert der KBV-Vorsitzende.

Zufrieden ist er dagegen mit dem künftigen Strukturfonds, in den die Kassen im gleichen Ausmaß wie die KV (0,1 % der Gesamtvergütung) zusätzliches Geld stecken müssen. Aus dem Fonds sollen Niederlassungsanreize finanziert werden.

Für zu gering beachtet findet Dr. Köhler den Wegfall der Residenzpflicht. Dieser werde sich zusammen mit Filialpraxen und mobilen Arztstationen bei der Versorgung – auch im Notdienst – bemerkbar machen.

Empfehlungen und Daten für die KV-Verhandlungen

Und was tut sich beim Honorar? Vorgesehen ist, dass der Bewertungsausschuss den regionalen Vertragspartnern nur noch eine Empfehlung für die morbiditätsbedingte Veränderungsrate geben wird. Mögliche Größenordnung: 2,3 % im Bundesdurchschnitt. Dann ist es Sache der jeweiligen KV, hier und für Leistungen außerhalb der MGV mehr rauszuholen. Im Streitfall wird das Schiedsamt die Empfehlung sicherlich beachten, so Dr Köhler.

Der Bewertungsausschuss legt weiterhin den Orientierungspunktwert fest. Allerdings versuchen die Krankenkassen zu erreichen, dass dieser in den Vereinbarungen der regionalen Partner angepasst werden kann, berichtet Dr. Köhler. Er schätzt, dass die Kassen dann anstreben werden, einen höheren Behandlungsbedarf durch einen niedrigeren Punktwert zu kompensieren. Seine Einschätzung zu den regio­nalisierten Honorarverhandlungen lautet: „Wir werden in den 17 KVen höchst unterschiedliche Preise haben.“

Dr. Köhler weist für Rheinland-Pfalz aus, dass die EBM-Punktzahl pro Einwohner und Jahr bei den Hausärzten mit durchschnittlich 4300 Punkten über dem Bundesmittelwert von 4000 Punkten liegt. Bei den Fachärzten sind die 6300 Punkte dagegen unter dem Bundesdurchschnitt von 7000 Punkten. Allerdings werden im Land der Reben und Rüben mehr Fälle stationär behandelt als im Bundesmittel, nämlich 21 900 (statt 20 800) je 100 000 Einwohner. Mit solchen Zahlen wird die KBV die KVen ausstatten, damit diese über höhere Behandlungsbedarfe oder sektorale Verlagungspotenziale verhandeln können.

„Spannend“ findet Dr. Köhler, wie künftig die Honorarzuschläge für „besonders förderungswürdige“ Leistungen bzw. Ärzte in unterversorgten Gebieten festgelegt werden. Dass es 2013 zu einem neuen EBM kommt, wagt er nicht zu versprechen. EBM-Nrn. für telemedizinische Leistungen erwartet er „nicht vor 2014“.

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