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KV warnt vor gestiegener Regressgefahr

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

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KV und Ärzteverbände in Berlin warnen vor erhöhter Regressgefahr und vor Verordnungseinschränkungen. Eine Schieds­amtsentscheidung zu den Arzneimittelrichtgrößen bereitet Sorgen.

„Die gesetzlich krankenversicherten Berliner müssen sich auf erhebliche Einschränkungen bei der Medikamentenversorgung einstellen“, erklärt die KV nach einer Entscheidung des Landesschiedsamtes, die seit Juli gilt.

Für fast alle der bisher 22 ärztlichen Fachgruppen wurden die Richtgrößen zum Teil drastisch abgesenkt, für Kinderärzte z.B. um fast 60 %. Das bedeutet: Pädiater haben nicht mehr knapp 58,91 Euro pro Quartal und kleinem Patient für Verordnungen zur Verfügung, sondern nur noch 24,01 Euro. Die Verordnungsbremse wurde auch für HNO-Ärzte, Urologen, Orthopäden, Chirurgen und ärztliche Psychotherapeuten eingelegt. Allgemeinmediziner und praktische Ärzte dürfen pro Rentner nur noch für 104,27 Euro Arzneimittel pro Quartal verschreiben. Das ist fast ein Drittel weniger als zuvor (143,92 Euro).

Jeder Griff zum Rezeptblock stellt nun eine Regressgefahr dar, meint KV-Chefin Dr. Angelika Prehn. Schließlich könnten nicht für jeden Patienten und jede Therapieform mitten im Jahr die Medikamente umgestellt werden. „Es kann doch nicht sein, dass selbst ein Arzt, der bisher wirtschaftlich verordnet hat, nun für diese Medikamente selbst bezahlen soll“, klagt die Hausärztin. Sie sieht eine bedarfs- und leitliniengerechte Behandlung der Berliner mit den gegenwärtigen Obergrenzen jedenfalls nicht mehr gewährleistet. 

KV: Neue Richtgrößen treffen 720 Ärzte

Der Hausärzteverband Berlin-Brandenburg rät den Kollegen, sich zu schützen und „fachfremde“ Medikamente nicht mehr aufzuschreiben. Notfalls müsse der Facharzt die Medikation überprüfen und übernehmen. Für Medi-Vorstand Dr. Matthias Lohaus wird die Verordnung von Medikamenten durch den Schiedsamtsentscheid sogar „zum Luxusgut“: „Eigentlich müssten wir allen niedergelassenen Ärzten empfehlen, den Rezeptblock einzuschließen, um nicht in die Gefahr eines Regresses zu geraten.“

Nach einer Berechnung der KV werden bei unveränderter Verordnungsweise 720 Ärzte mit den neuen Richtgrößen Probleme bekommen. Bei den Allgemeinärzten könnten demzufolge 217 von 1717 Kollegen die Richtgrößensumme um mehr als 25 % überschreiten. Bei den hausärzt­lichen Internisten sind es 108 von 831. Bei den Onkologen ist knapp jeder zweite betroffen.

Ob die KV gegen den Entscheid vor dem Sozialgericht klagen wird, ist offen, solange die schriftliche Begründung des Landesschiedsamtes nicht vorliegt.

Für einige Fachgruppen sind die Richtgrößen aber auch deutlich angehoben worden. Beispielsweise stehen den Internisten mit Spezialisierung Rheumatologie für Rentner jetzt 593,19 Euro pro Quartal für Verordnungen zur Verfügung. Vorher waren es 169,91 Euro. Das entspricht einer Steigerung um 249 %. Für Mitglieder und Familienversicherte beträgt das Budget nun 675,46 Euro (+480 %). Onkologisch tätige Internisten erhalten für Rentner 819,48 Euro statt bisher 169,91 (+382,3 %). Bei Mitgliedern und Familienversicherten sind es 595,77 Euro (+411,6 %).

Die Krankenkassen verstehen den Unmut nicht. Ihrer Ansicht nach sind die Verordnungskosten in den Richtgrößen versorgungsgerecht abgebildet. Die Absenkungen für Fachgruppen wie Allgemeinärzte und Pädiater führten nicht zu Versorgungseinschränkungen, denn diese Gruppen seien in den letzten Jahren durch Preissenkungen entlastet worden. Bei Fachgruppen wie Neurologen, Psychiatern oder Hautärzten würden die bei leitliniengerechter Behandlung verordneten Medikamente allerdings oft unter Patentschutz stehen und sich nicht durch generische Arzneimittel ersetzen lassen. „Hier ist es also nur sachgerecht und folgerichtig, dass für diese Arztgruppen die Richtgrößen künftig höher sind“, so die Kassen.

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