Medizinstudium M. D. statt Dr. med.?

In einer ständig komplexer werdenden Versorgungssituation wachsen die Anforderungen an den Arztberuf immens, konstatiert der Wissenschaftsrat. Ärztinnen und Ärzte müssten imstande sein, von Patientenproblemen ausgehenden Fragestellungen nachzugehen und evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen. Unter diesen Prämissen erarbeitete der Wissenschaftsrat seine aktuellen Empfehlungen für eine Reform des Medizinstudiums.
Frühzeitiger Patientenkontakt gewünscht
Die Studieninhalte sollen demnach vornehmlich in fächerübergreifenden, organ- und themenzentrierten Modulen vermittelt werden. Durch die Integration vorklinischer und klinischer Inhalte könne so von Beginn des Studiums an die Bedeutung und Anwendung theoretischer Grundlagen für die ärztliche Praxis herausgestellt werden. Zu einem umfassenden Praxisbezug gehörten naturgemäß ein frühzeitiger Patientenkontakt sowie psychosoziale und kommunikative Kompetenzen, so der Wissenschaftsrat. Aus Gründen der Qualitätssicherung empfiehlt der Wissenschaftsrat eine bundeseinheitliche Zwischenprüfung nach dem 6. Fachsemester. Diese soll um einen strukturierten klinisch-praktischen Prüfungsteil ergänzt werden. Insgesamt sollten die Ärztlichen Prüfungen zwingend standardisiert werden. Das Praktische Jahr soll sich künftig in vier Ausbildungsabschnitte zu je 12 Wochen gliedern und so eine größere Wahlfreiheit ermöglichen.
Primärärztliche Probleme kennenlernen
Bei der Ausbildung müsse der primärärztlichen Versorgung ein angemessener Stellenwert eingeräumt werden. Entsprechend müsse auch die Allgemeinmedizin bei der Umgestaltung der Lern- und Prüfungsinhalte adäquat berücksichtigt werden, lautet eine weitere Empfehlung des Wissenschaftsrats. Dazu müsste die Allgemeinmedizin flächendeckend an den Fakultäten institutionalisiert werden und den Studierenden ermöglicht werden, sich in weiteren Lehrveranstaltungen mit den spezifischen Problemen der primärärztlichen Grundversorgung zu befassen.
Mehr wissenschaftliche Kompetenz
Darüber hinaus stellt der Erwerb wissenschaftlicher Kompetenzen im Studium nach Auffassung des Wissenschaftsrats eine notwendige Voraussetzung dar, um den ärztlichen Beruf verantwortungsvoll ausüben zu können. Alle Studierenden sollen daher im Studium im Rahmen einer obligatorischen Forschungsarbeit ein Problem aus dem Gebiet der Medizin selbstständig nach wissenschaftlichen Methoden bearbeiten. Die angehenden Ärzte sollen sich ein umfassendes Verständnis von Gesundheit und Krankheit erarbeiten und so in die Lage versetzt werden, das eigene Handeln hinsichtlich seiner Evidenzbasierung und vor dem Hintergrund neuer medizinischer Erkenntnisse zu prüfen, um zu einer auf den individuellen Patienten bezogenen Entscheidung zu gelangen.
Der Medizinische Fakultätentag begrüßte bereits ausdrücklich diese Forderung nach einer wissenschaftlicheren Ausrichtung des Medizinstudiums als Basis für eine künftige ärztliche Tätigkeit.
Dr. light für alle
In eine ähnliche Richtung gehen auch die Vorschläge der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Zwar würde mehr als ein Viertel aller Promotionen in Deutschland von angehenden Ärzten abgelegt, doch eile dem medizinischen Doktor-Titel der Ruf voraus, nur als Aushängeschild für die Praxis zu dienen, so die DGIM. Methodische Kenntnisse und die Einführung in klinische Studien würden in der heutigen universitären Ausbildung noch immer vernachlässigt.
Besser wäre es, den Nachwuchs bereits früh im Studium an Forschungsarbeiten teilnehmen zu lassen. In einem Positionspapier fordert die DGIM daher eine Aufwertung der Promotion und rät dazu, zusätzlich einen Medizinischen Doktorgrad, kurz M. D., ohne wissenschaftliche Promotion zu schaffen. Dieser würde mit der Approbation erteilt. Der Titel "Dr. med." wäre demgegenüber erst nach einer entsprechenden Prüfung und der Abgabe einer eigenständigen wissenschaftlichen Arbeit zu erlangen.
Dr. Ingolf Dürr
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (2) Seite 35-36
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.