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Neuer EBM offenbart die ärztliche Mentalität

Autor: Dr. Günter Gerhardt

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Wo sind Kritik-, Streit- und Kampfbereitschaft geblieben? Dr. Günter Gerhard klärt über die ärztliche Mentalität auf.

Der anstehende neue EBM bringt unsere Mentalität mal wieder überdeutlich ans Tageslicht: Einige wenige von uns können vortrefflich meckern, die Masse ist Mitglied im Club „Machen kann man eh nix!“ und ein winzig kleiner Rest ruft zum Boykott auf, dem keiner folgt.


Spätestens im November/ Dezember ersticken dann wieder alle Kolleginnen und Kollegen in Arbeit und ziehen lethargisch die Schultern hoch. Schon mehrmals in meinem Berufsleben habe ich mich gefragt: „Warum ist das so?“ Mitschuld trägt sicher unsere nicht vorhandene Solidarität und eine verlorengegangene Kampfbereitschaft (s.u.).


Manchmal sind wir uns auch einig, so beispielsweise in einer Teil­argumentation zum neuen EBM: Die gleiche Geldmenge wird nach komplizierteren Regeln neu verteilt. Ein Kollege hat das vortrefflich formuliert: „Wir brauchen keine nachrückende Konkurrenz zu befürchten!“


Aber die Legendenbildung über Entstehung und Auswirkungen des EBM 2013 ist schon wieder in vollem Gange und da herrscht keine Einigkeit: Hausärzte bzw. Fachärzte haben sich durchgesetzt, sind die Gewinner/Verlierer oder besonders dreist: „Von der Ossi für die Ossis!“


Nur selten hört man, dass endlich mehr, viel mehr Geld für die Versorgung einer immer älter und damit kränker werdenden Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden muss. Nicht einfach so, sondern orientiert am Morbi-Leistungsbedarf der Versicherten.


Für dieses Ziel müssen wir uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, gemeinsam (HÄ + FÄ) und vehement immer und immer wieder einsetzen und auch nicht vor unpopulären Maßnahmen zurückschrecken. Tun wir das nicht, müssen wir uns sicherlich eines Tages fragen lassen, warum wir nichts getan haben.


Besonders gilt das für die Kolleginnen und Kollegen, die sich engagieren in Gremien der Berufsverbände, der Kammern und der KVen. Das Tun sollte sich aber nicht darauf beschränken, dass HÄ und FÄ sich lautstark den schwarzen Peter hin- und herschieben.


Ein ehemaliger Gesundheitsminister eines Bundeslandes hat mir mal erzählt, wie er sich aus schwierigen Situationen in Ärzteveranstaltungen geschickt rausmanövriert hat. Ein Kollege hatte ihm empfohlen, immer dann, wenn es mal eng würde in einer Veranstaltung, die Hausarzt-Facharzt-Karte zu spielen. Gesagt getan, der Minister konnte schließlich den Saal verlassen, keiner hat was gemerkt, die Ärzteschaft war mit sich selbst beschäftigt.


Wie konnte es, liebe Kolleginnen und Kollegen, so weit kommen? Unsere Vorgänger haben es uns doch gezeigt, wie und dass es geht: 1900 wurde der Leipziger Verband (später Hartmannbund) gegründet, die erste reichsweite Vertretung der Ärzteschaft gegen die Allmacht der 1883 gegründeten Bismarck’schen gesetzlichen Krankenversicherung, dem dann 1913 das Berliner Abkommen folgte, worin erstmals die Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen vertraglich geregelt wurden usw.


Es scheint wirklich so zu sein, dass wir das Kämpfen für die eigene Sache verlernt haben, vielleicht auch deswegen, weil wir ab dem Moment, wo wir den Berufswunsch Ärztin/ Arzt haben (in der Regel mit 17 im Gymnasium), nur noch fremdbestimmt dieses Ziel verfolgen. Die Kritik-, Streit-, und Kampfbereitschaft bleibt auf der Strecke. Nur so ist es doch letztendlich zu verstehen, dass auch die Wahl 2013 die Ärzteschaft nicht oder kaum zu interessieren scheint. Und wenn, dann auch nur wieder haus- bzw. facharztspezifisch.


Ein Beispiel? Viele HÄ sind der Meinung, dass Privatpatienten und damit die Liquidation nach GOÄ für sie keine Relevanz hat. Und das vor dem Hintergrund von vorhergesagten Honorarverlusten durch den neuen EBM! Schon erstaunlich. Bei Politikern im Wahlkampf klingt das dann so, als ob auch die Ärzteschaft für eine Abschaffung des dualen Systems wäre.


Verhindern können wir solche Entwicklungen nur, wenn sich wieder mehr selbstbestimmte Ärztinnen und Ärzte aus den ärztlichen Kreisvereinigungen heraus für die Ärzteschaft in Kammer und KV positionieren. Die „Alten“ sollten bereit sein, mit ihren Erfahrungen zu helfen, aber nicht mit Totschlagargumenten wie: „Das hat doch früher schon nichts gebracht!“


Was nicht passieren sollte, ist, dass Kleinstgruppierungen unabgesprochen ihre nicht zu Ende gedachte Meinung in die Öffentlichkeit posaunen, was Politik und Medien genüsslich aufgreifen und potenziert weiter­verbreiten.


Mein Appell: Mit den Scharmützeln zwischen Haus- und Fachärzten, die teilweise öffentlich ausgetragen werden, muss endlich Schluss sein. Politik und Krankenkassen dürfen sich nicht länger auf diesen unsere Verhandlungsposition schwächenden Zwist verlassen dürfen.

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