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Sado-Arzt darf die Approbation behalten

Gesundheitspolitik Autor: Anke Thomas

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Zwei Patientinnen stellten gegen ihren Arzt Strafanzeige: Bei sadistischen Sexualpraktiken hätte der Neurochirurg ihnen erhebliche Schmerzen zugefügt. Zudem wurde beantragt, dem Arzt die Approbation zu entziehen. Die Richter entschieden jedoch zu dessen Gunsten.

Schon im Vorfeld hatte der Doktor eine Latte von Strafverfahren vorzuweisen: Neben Steuer­hinterziehung in neun Fällen, alkoholisiertem Autofahren nebst Führerschein­entzug sowie Fahren ohne Fahrerlaubnis wurde er wegen Betrugs mit Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung verurteilt. In letzterem Fall war er 2010 zu einer Freiheitsstrafe von knapp einem Jahr zur Bewährung verurteilt worden.

Arzt verschrieb Sado-Partnerinnen Schmerzmittel

2007 wurden von der Staatsanwaltschaft dann zwei Ermittlungsverfahren gegen den Arzt wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung eingeleitet.

Eine Patientin wurde im Februar 2005 in der Praxis vorstellig und im März operiert. Anschließend gab sie an, von April bis August 2005 eine sexuelle Beziehung zu dem Neurochirurgen gehabt zu haben, in der sadistische Praktiken angewandt worden seien. Hierbei habe sie erhebliche, schmerzhafte Verletzungen erlitten.

Der Arzt habe ihr deswegen ein vorrätiges Schmerzmittel gegeben und ihr dieses später auch auf Rezept verschrieben. Als weiteren Beweis legte sie einen Ausdruck vor, in der der Mediziner im Internet ein Profil hinterlegt hatte, in der unter der Rubrik Neigung „dominant-sadistisch“ vermerkt war. Das dortige Foto war das gleiche wie das auf der Praxishomepage.

Die zweite Patientin gab an, sie sei seit dem 10. August 2005 bei dem Arzt in Behandlung gewesen. Vom 26. August bis Juli 2006 habe sie eine sexuelle Beziehung mit schmerzhaften Körperverletzungen mit dem Mann geführt. Sie gab an, der Neurochirurg habe ihr und ihren Kindern "irgendwelche" Mittel verabreicht.

Während der Beziehung hatte der Arzt durchgehend Leistungen für die Frau mit der KV Westfalen-Lippe abgerechnet. Im Juli habe der Beklagte sie in der Praxis mit einem beschuhten Fuß gegen Oberschenkel und Nacken getreten. Anschließend ließ die Frau sich im Krankenhaus behandeln – hier wurde „Prellung rechte Gesichtshälfte“ und „Distorsion HWS“ diagnostiziert.

Die Bezirksregierung widerrief im März 2010 die Approbation des Arztes. Aus seinem Verhalten ergebe sich seine Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung seines Berufes, auch weil er Freude und sexuelle Befriedigung daran finde, anderen Menschen Schmerzen zuzufügen. Der Neurochirurg habe die Frauen als Patientinnen kennengelernt und habe sie auch während der Beziehung behandelt.

Straftaten betreffen nicht Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit

Dagegen wehrte sich der Arzt und zog vor Gericht. Die Frauen seien mit den Praktiken einverstanden gewesen und der private Kontakt sei erst entstanden, nachdem das Arzt-Patient-Verhältnis beendet worden sei. Zudem seien die Ermittlungsverfahren wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung im Rahmen eines Vergleichs, in dem er den Frauen eine vereinbarte Summe bezahlt habe, eingestellt worden. Ein Vergleich bedeute noch kein Schuldeingeständnis. Die Steuerhinterziehung läge schon Jahre zurück und die fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs könne die Unwürdigkeit nicht begründen.

Die Richter gaben dem Arzt recht. Zwar könne sich die mögliche Unwürdigkeit aus der Verurteilung wegen Betrugs mit falscher eidesstattlicher Versicherung, aus der Steuerhinterziehung und aus den Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung ergeben. Dies, weil der Arzt in diesen Fällen gezeigt hat, dass er seine wirtschaftlichen Interessen über die berechtigten Belange Dritter stellt und rücksichtslos andere (Fahren unter Alkoholeinfluss oder ohne Führerschein) gefährdet.

Die Straftaten beträfen aber nicht den Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit (das Arzt-Patienten-Verhältnis) noch überhaupt die Tätigkeit als Arzt an sich.

Sado-Arzt hat nicht seine Stellung als Behandler ausgenutzt

Auch die Beziehung zu den beiden Patientinnen, denen Verletzungen zugefügt worden waren, reichten nach Ansicht der Richter nicht für einen Entzug der Approbation. Art und Umfang der Behandlungen und Verordnungen seien in beiden Fällen nicht so gewichtig gewesen, dass man davon ausgehen könne, der Neurochirurg habe seine Stellung als Behandler ausgenutzt, um die Patientinnen gefügig zu machen. Auch hätten die Frauen nicht aus Angst, ihren „Liebhaber“ als behandelnden Arzt zu verlieren, in die Sexualpraktiken eingewilligt.

Verwaltungsgericht Arnsberg, Urteil vom 16. Juni 2011, Az.: 7 K 927/10

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