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Schneisen schlagen durch den Dschungel der Devices

Autor: Dr. Frauke Höllering

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Jede Woche schneit ein neuer Applikator für ein neues Bronchialspray in die Praxis. Dr. Frauke Höllering beschreibt, wie sie mit der Flut der Geräte zurechtkommt.

Ich sah ihn schon auf der Theke liegen: einen Applikator für ein Bronchialspray, welchen Inhaltes auch immer, umgeben von einer Handvoll Broschüren und einer bunten Folie. In mir sprang der Fluchtreflex an: Bloß weg! Ins Labor, um mal ein paar Arztbriefe zu lesen? Oder zur Kaffeemaschine, um den Koffeinspiegel noch ein wenig in die Höhe zu treiben? Doch das Wissen darum, dass bei meiner Rückkehr das neue „Device“ (deutsch wird so etwas heute ja nicht mehr ausgedrückt) und seine außendienstliche Begleiterin immer noch treu auf mich warten würden, bremste meine Flucht, bevor ich sie antreten konnte.


Ergeben bat ich die Pharma-Fee in mein Sprechzimmer: „Was gibt es Neues?“ Sie strahlte: “Endlich haben wir die Kombination aus Substanz X und Substanz Y zur Behandlung der COPD, die Ihnen schon so lange gefehlt hat! In einer neuen und ganz einfachen Applikationsform.“


Unwillkürlich schweifte mein Blick ins Regal, wo ein Dutzend weiterer überzeugender Devices ihrer Anwendung als Demonstrationsobjekt harrten. „Ach ja?“, sagte ich skeptisch und hinderte meine Mimik gerade noch daran, eine Augenbraue arrogant nach oben zu ziehen. Die Stimme der jungen Dame klang nicht mehr ganz so selbstsicher, während sie mir die Vorzüge ihres Präparates erläuterte. Ich hörte gelassen zu und legte das hübsche Plastikteil dann zu den anderen. Hatte ich mich doch für den nächsten Abend zu einem vielversprechenden Vortrag eines Pneumologen angemeldet, dessen Untertitel „Durch den Dschungel der Devices“ lautete.

»Jetzt nur noch Muster mit künst­lerischem Mehrwert«

Ein Dschungel war es, fürwahr. Keine Woche war vergangen, ohne dass nicht jemand schwungvoll ein neues Gerät präsentiert hatte, in dem die Substanzen A bis H in beliebiger Kombination vorhanden waren.


Den Versuch, mir alle Namen mit allen Inhaltsstoffen zu merken, hatte ich angesichts meiner altersgemäß nachlassenden Merkfähigkeit schon aufgegeben. Insbesondere als mir einige der als brandneu beworbenen Inhalationsgeräte bekannt vorkamen und mir auf Nachfrage lässig mitgeteilt wurde: „Ja, das ist auch das selbe Medikament, das bewirbt Firma XY im Co-Marketing.“


Wer das Co-Marketing erfunden hat, möge sich gern mal bei mir melden und gleich einen gelben Sack für meinen Applikatoren-Plastik-Abfall mitbringen. Es ist ja durchaus segensreich, neue Wirkstoffe zu entwickeln und in sinnvollen Kombinationen anzubieten. Aber doch bitte nicht mit zwei verschiedenen Handelsnamen, zwei Außendiensten und zwei Dummys, mit denen ich „Dummie“ meinen Patienten die Handhabung beibringen soll! Und warum haben wir eigentlich zwei Jahre lang kein neues Spray vorgestellt bekommen, und nun wöchentlich ein neues?


Die Frage nach der Genese dieser überfallartigen Device-Flut würde mir der unabhängige Referent am nächsten Abend sicher nicht beantworten können (ich stellte sie erst gar nicht). Glücklicherweise hatte ich auch darauf verzichtet, meine Plastiksammlung mitzubringen und ihn zu bitten, mit einer Machete des Insiderwissens eine Schneise durch deren Dschungel zu schlagen. Aber enttäuscht war ich doch, denn er beschränkte sich auf die Vermittlung des üblichen Grundlagenwissens von Atemwegserkrankungen.


So nutzte ich die Diskussion: „Welche der neueren Kombinationspräparate empfehlen Sie denn nun bei der COPD?“, fragte ich, nachdem er mit dem Bild einer noch beeindruckenderen Applikatorensammlung als der meinen einen höchst kompetenten Eindruck gemacht hatte. „Die geben sich alle nicht viel“, war die ernüchternde Antwort, gefolgt von der Äußerung, dass man ja unbeeinflusst von der Pharmaindustrie lehren solle und somit nichts empfehlen dürfe.

»Die geben sich alle nicht viel, war die ernüchternde Antwort«

Das musste ich akzeptieren und war doch enttäuscht. Zwar hatte ich mir als technisch recht unbegabtes Testobjekt die Handhabung der einzelnen Inhalationssysteme mal angesehen (was ich nicht sofort verstand, wurde sofort aussortiert), aber deren Inhaltsstoffe zu testen war ja nun meine Aufgabe nicht.


„Die Industrie testet auch ungern das eine Präparat gegen das andere“, fügte der Referent dann noch sonnig hinzu, „weil die Unterschiede so gering sind, dass man sehr viele Testpersonen bräuchte, um eine belastbare Aussage zu treffen.“


Das allerdings half. Welches LAMA oder LABA oder ICS in welcher Kombination auch immer: Hauptsache, das Device ist hübsch designt und leicht zu bedienen. Ich nehme jetzt nur noch Muster von Präparaten an, die auch einen künstlerischen Mehrwert haben als Schmuckstück im Regal. Dann designt mal schön! Die paar Namen werde ich mir merken können.

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