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Soll ich Männer mit PSA ins Unglück stürzen?

Autor: Dr. Frauke Höllering

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Gesundheitsbeweis oder vorgegaukelte Sicherheit? MT-Kolumnistin Dr. Frauke Höllering zum Sinn oder Unsinn des PSA-Tests.

Ich habe ein Problem: Ich habe keine Prostata


Nein, Sie brauchen nicht zu denken, dass ich nun eine absurde Alternativneurose zum Penisneid entwickelt habe. Ich könnte mich nur besser in die Tücken der männlichen Krebsvorsorge eindenken, wenn ich auch für mich selbst entscheiden müsste, wie ich den dunklen Gründen dieses versteckten Organs am besten auf die Spur kommen könnte. Heute war er wieder da, der typische Patient: „Frau Doktor“, bat er mich, „ich möchte beim Check Up auch meinen PSA-Wert kontrollieren lassen, um sicher zu gehen, dass ich keinen Krebs habe“.


Da saß er, Mitte sechzig und voll der Hoffnung, dass ich ihm diese Sicherheit mit einem simplen Bluttest verschaffen könnte. Ihm gegenüber saß ich in dem Wissen: a) das würde nicht möglich sein und  b) mit dieser Indikation wäre die
Testung keine Kassenleistung. Adieu, Zeitplan!


„So einfach ist das leider nicht“, enttäuschte ich ihn und gab einen kleinen Abriss über das, was wir so wissen: Der PSA-Wert ist unspezifisch, und kann beispielsweise auch nach Sex oder Fahrradfahren steigen. Raucher und Patienten mit Prostatahyperplasie zeigen gern höhere Werte, diese können aber auch tatsächlich auf ein Karzinom hinweisen – das wiederum schlummert möglicherweise bis ans Ende seiner Tage harmlos im Dunkeln vor sich hin oder aber führt zu einem hässlichen und verfrühten Tod.

Mein Problem mit der Vorsorge: Ich habe keine Prostata

Ich berichtete von den vielen Konsequenzen, die die Entdeckung eines erhöhten Wertes nach sich ziehen würde: Sorgen, Kontrollen, evtl. eine lästige Probe-Exzision (PE), Nachkontrollen, vielleicht neue PEs und dann evtl. eine Operation, die ziemlich sicher die Potenz und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Kontinenz beeinträchtigen würde. Viel gäbe ich darum, wenn ich vorher herausfinden könnte, ob ich eine solche Diagnostik- und Therapiekaskade anleiern müsste! Kann ich aber nicht.


„Lassen Sie mich die Prostata eben abtasten“, schloss ich. „Wenn sie unauffällig ist, würde ich auf den PSA-Wert verzichten. Ist sie vergrößert oder verhärtet, können wir das Blut gern einschicken“. Er schaute mich skeptisch an: „Mein Kollege hat den Test ohne Probleme bekommen“, sagte er leicht genervt.
„Der Testwert war in Ordnung, und nun weiß er, dass er gesund ist. Ich will doch nichts anderes!“. Ein „Was wissen Sie als Frau überhaupt über die Prostata“ schwang in diesen Worten unüberhörbar mit. Ich riss mich zusammen: „Bitte nicht seufzen!“, beschwor ich mich, während ich mit Frustration rang. Hatte ich nicht gerade ausführlich erklärt, wo die Probleme lägen, wenn der Wert nicht in Ordnung wäre? Bevor ich zu einer Erwiderung ansetzen konnte, kam das Holzhammerargument: „Überhaupt habe ich solche Probleme bei meinem alten Arzt nie gehabt. Er hat den PSA-Wert bei jedem Check mitgemacht!“.

Der Bluttest gaukelt die Sicherheit doch nur vor

Da saß ich nun und dankte im Stillen den Autoren, die im deutschen Ärzteblatt das Für und Wider des PSA-Tests erörtert hatten. „Das war sehr sorgfältig gedacht“, bestätigte ich, „aber damals wussten wir noch nicht, welche Schwächen der Test hat. Auch wird die Sache noch komplizierter, wenn man bedenkt, dass man operieren muss, wenn man später Krebszellen im Punktat findet. Weil man ja nicht weiß, ob diese mal richtig giftig werden oder nicht. Darum wurden und werden immer wieder Männer operiert, die das gar nicht gebraucht hätten“.


„Aber mein Nachbar ist an Prostatakrebs gestorben“, antwortete mein Patient kurz. Und jetzt? Wir beide saßen uns immer noch gegenüber, und ich dachte an all die Kollegen, die ich gefragt hatte. Da ich selbst keine Prostata habe, hatte ich eine kleine Privatumfrage gestartet – die Frage „Vorsorgemammographie oder nicht?“ hätte ich besser erörtern können, weil ich hier nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch betroffen gewesen wäre.

Sogar manche Urologen kennen ihren PSA-Wert nicht

Viele meiner Arztkollegen, darunter auch Urologen, kannten ihren PSA-Wert nicht. Aber sie konnten die Vorteile und Schwächen dieses Tumormarkers einschätzen, was ich von meinem Gegenüber nicht verlangen konnte. Ich knickte ein: „Einverstanden“, sagte ich. „Wir machen jetzt die Krebsvorsorge und anschließend vereinbaren Sie einen Termin zur Blutabnahme. Ich hoffe auch, dass das Ergebnis prima ist; falls nicht, sprechen wir eben noch einmal darüber. Die Rechnung für den Test bekommen Sie dann zugeschickt“.


Ich hätte schwören können, er hätte „Geht doch“ gemurmelt. Sei es drum. Im Grunde meines Herzens bin ich froh, dass ich neben anderen potenziellen „Baustellen“ nicht auch noch eine Prostata habe!

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