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TK fordert EBM-Reform: Umstellung auf Einzelleistungs-Vergütung

Gesundheitspolitik Autor: Anke Thomas

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Statt eines überkomplexen Systems mit Pauschalhonoraren und Mengenbegrenzungen plädiert die Techniker Krankenkasse (TK) für eine bundesweit einheitliche Einzelleistungsvergütung ohne Abstaffelung.

Ein von der TK in Auftrag gegebenes Gutachten bestätige, dass dies auch einfach umsetzbar wäre.  

Das derzeitige Honorarsystem führt nicht nur zu Unzufriedenheit bei den Ärzten, sondern belastet mit Konfliktherden auch die Patientenversorgung, begründet die TK ihren Vorstoß.

"Durch die starke Pauschalierung der Vergütung mit nachträglicher Abstaffelung fehlt es dem Arzt derzeit an Planbarkeit", sagt Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK. Ist dieser TK-Chef etwa ein Ärzteversteher?

So ganz ist es doch nicht, denn Ballast führt weiter aus: "Unsere Versicherten erfahren dann, was "Budgetferien" sind oder ihnen wird gesagt: Für das, was ich jetzt für Sie tue, bekomme ich von Ihrer Krankenkasse kein Geld."

Um Fehlanreize im System zu reduzieren, Patienten eine bessere Versorgung zu ermöglichen und Ärzten zu mehr Zufriedenheit zu verhelfen, hat die TK das IGES Institut beauftragt, einen Reformvorschlag zu entwickeln.

Das IGES-Gutachten kommt zu dem Ergebnis: Eine Einzelleistungsvergütung muss her, wobei eine entsprechende Honorarreform für die Krankenkassen finanzierbar bleiben muss.

IGES: Umstellung wäre kurzfristig durchführbar

Dabei soll sich die betriebswirtschaftlich kalkulierte Vergütung für Einzelleistungen aus einem variablen und einem fixen Teil zusammensetzen. Die variablen Kosten (inklusive Arztlohn) sollen unbegrenzt vergütet werden, die fixen Kos­ten maximal zu einer definierten Leistungsmenge.

Das IGES-Institut kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss: "Die Umstellung des Vergütungssystems kann pragmatisch und kurzfristig erfolgen, wenn auf dem heutigen EBM aufgebaut wird." Die Pauschalen würden dabei durch Einzelleistungen ersetzt.

In der Gesamtheit würde – trotz der neuen Fixkostenvergütung – eine "annähernd kostenneutrale Umstellung erreicht". Das Modell wird zusätzliche Honorarausgaben verursachen, fügt Ballast hinzu.

Die Studie gehe von einem Anstieg der Vergütung von 5,4 bis 5,9 % im ersten Jahr aus. Dies entspräche in etwa 1,3 bis 1,4 Milliarden Euro. In den letzten fünf Jahren hätte der Honorarzuwachs im Schnitt 3,7 % betragen.

Ein Jahr Verzicht auf Honorarsteigerungen?

Da in den Folgejahren nicht mit einem weiteren Anstieg zu rechnen sei und das Modell viele Vorteile für Patienten, Ärzte und Krankenkassen böte, hält die TK den Zuwachs für vertretbar. Außerdem könne man das "Delta" kompensieren, so Ballast, "indem man die sonst üblichen Honorarsteigerungen für ein Jahr aussetzt".

Nachtigall, ick hör dir trapsen, kommentiert Abrechnungsexperte Dr. Gerd W. Zimmermann das TK-Modell. Interessant findet er, dass KBV-Vizechefin Regina Feldmann den Gedanken der Vergütung von fixen und variablen Kosten bei technischen Leistungen in der zweiten Stufe der EBM-Reform umsetzen will, die zum 1.1.2015 in Kraft treten soll.

Für Fachärzte mag es ja interessant sein, wenn sich ihre Geräte in diesem System amortisieren, meint Dr. Zimmermann. Für Hausärzte plädiert er aber weiterhin für Pauschalen. Zumindest dann, wenn es sich um kostenneutrale Veränderungen handelt.

KBV begrüßt den Vorstoß der TK

Außerdem sei der EBM in weiten Teilen jetzt schon nach STABS (Standardbewertungssystem) betriebswirtschaftlich kalkuliert, nur dass eben die zugrunde gelegten Preise nicht zu 100 % bezahlt würden. 

Kurz nach der Vorstellung des TK-Vergütungsmodells zeigte sich KBV-Chef Dr. Andreas Gassen sehr erfreut darüber, dass "die TK hier unsere Gedanken und Vorschläge aufgreift". Er signalisierte Gesprächsbereitschaft.

Auch einzelne KVen begrüßen den Vorstoß der TK. Aber es gibt auch kritische Stimmen. Dr. Werner Baumgärtner, Sprecher der Allianz Deutscher Ärzteverbände meint: Für Hausärzte wäre das System nur interessant, wenn die einzelnen Leistungen besser vergütet würden.

"Der Mut zum Abwurf sämtlicher Altlasten fehlt noch. Konkret wird das Stichwort unbudgetiert vermisst", gibt Dr. Axel Schroeder, Vorstand Spitzenverband Fachärzte Duetschlands e.V. zu bedenken.

GOÄ und EBM: Mit der Einzelleistungsvergütung leichter zusammenzuführen

Die TK sieht aber noch einen weiteren Vorteil in dem vorgestellten Vergütungssystem. Vorstand Ballast: "Ich gehe davon aus, dass wir mittel- bis langfristig eine Konvergenz der Versicherungssysteme – heute noch unterteilt in gesetzlich und privat – erleben werden."

Mit dem IGES-Modell würde die Konvergenz der Systeme erleichtert, denn es sei weitaus weniger schwer, zwei auf Einzelleistungen basierende Systeme zu vereinen, als ein Pauschalsystem mit einem Einzelleistungsmodell zusammenzuführen.

Hier hört Dr. Zimmermann die Nachtigall ein zweites Mal. Denn schon lange wird in Expertenkreisen befürchtet, dass der EBM bei der GOÄ-Reform als Vorbild dient.

Die TK hofft jetzt auf einen "konstruktiven Dialog" mit der Ärzteschaft und der Politik. Das neue Vergütungsmodell, so die Idee der TK, könnte zunächst in einer Modellregion ausprobiert werden.

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