Vom Flüchtling zum erfolgreichen Kardiologen
Zehn Semester Medizinstudium in Kabul lagen bereits hinter ihm, als Dr. Subin 1990 aus Afghanistan fliehen musste. An einen Studienabschluss in seiner Heimat war angesichts der politischen Lage nicht zu denken. „Doch ich konnte mir nichts anderes vorstellen, als weiter Medizin zu studieren und Arzt zu werden. Ich stamme aus einer Arztfamilie. “
„Ich konnte mir nichts anderes vorstellen, als Arzt zu werden“
In Deutschland kollidierte seine Zielstrebigkeit mit der Bürokratie. Sein Asylantrag wurde in erster Instanz abgelehnt, das Widerspruchsverfahren zog sich in die Länge. Währenddessen durfte er eigentlich weder Deutsch lernen noch sich um einen Studienplatz bewerben. Diese Untätigkeit war für Dr. Subin, Anfang 20 und frisch verheiratet, nur schwer zu ertragen. Mit Mühe ergatterte er einen Platz in einem Deutschkurs, der eigentlich für Aussiedler reserviert war.
Anschließend machte er sich auf die Suche nach einem Medizinstudienplatz. Der nächste Dämpfer: Seine zehn Semester in Afghanistan wurden in Deutschland nicht anerkannt. „Sie galten nur als Hochschulreife, die mich zu einem Studium der Medizin befähigt. Ich musste also noch einmal ganz von vorn anfangen.“
Dies blieb nicht die einzige Hürde auf Dr. Subins Weg in seinen Traumberuf: „Weil mein Asylverfahren noch lief, hatte ich nur eine Aufenthaltsgestattung für Hamburg und durfte die Stadt nicht verlassen.“ Ausgerechnet die Universität Mainz akzeptierte seine Bewerbung um einen Medizinstudienplatz.
Nur über Umwege bekam er eine behördliche Sondergenehmigung: „Ich durfte in Mainz studieren, musste allerdings für meinen Lebensunterhalt selbst aufkommen.“ Der afghanische Medizinstudent jobbte an der Uniklinik, als Gabelstaplerfahrer und bei McDonalds. In den ersten zwei Jahren in Mainz lebte er von seiner Frau getrennt, die in Hamburg auf den Ausgang ihres eigenen Asylverfahrens warten musste.
Nach Studienabschluss, Promotion und zwei Jahren als Assistenzarzt in Mainz folgte eine rasante Karriere: fachärztliche Weiterbildung zum Internisten in Bad Beversen, Zusatzbezeichnung Kardiologie, Aufbau der Abteilung Kardiologie einer Hamburger Klinik als leitender Oberarzt, Niederlassung als Internist und Kardiologe in Hamburg und schließlich Gründung der CardioMed Hamburg, einer kardiologisch-internistischen Gemeinschaftspraxis mit vier Standorten und sechs ärztlichen Mitarbeitern.
„Mir wurden viele Steine in den Weg gelegt. Doch man kann es schaffen“
Außerdem ist Dr. Subin berufspolitisch aktiv und führt als erster Vorsitzender den Landesverband Hamburg im Berufsverband der niedergelassenen Kardiologen.
Echten Stolz auf das Erreichte empfindet er nicht: „Ich habe einfach meinen Weg gemacht. Mir wurden zwar viele Steine in den Weg gelegt, doch man kann es schaffen, wenn man für eine Sache wirklich brennt.“ Vom Flüchtling zum erfolgreichen Kardiologen – die Biografie von Dr. Subin zeigt, welches Potenzial in so manch einem Zuwanderer stecken kann, der heute noch hilfsbedürftig in einer Erstaufnahmeeinrichtung ausharrt.
„Ich mache mir viele Gedanken, wie man den Flüchtlingen helfen kann, die heute in Hamburg eintreffen“, sagt Dr. Subin. Insgesamt sei die Stimmung gegenüber Flüchtlingen in Deutschland heute deutlich positiver als noch in den 1990er-Jahren: „Damals gab es die Ausschreitungen in Hoyerswerda, und die Politiker beinahe aller Parteien fanden, das Boot sei voll.“ Heute seien die Töne gemäßigter. Schließlich wüssten die meisten Politiker, dass Deutschland auf Zuwanderung dringend angewiesen ist.
„Viele Flüchtlinge haben in ihrem Herkunftsland Schlimmes erlebt und wurden durch die Flucht zusätzlich traumatisiert. Deshalb muss man vor allem Sozialmedizin leisten.“ Gerade kardiologische Symptome seien bei ihnen oft psychosomatisch bedingt. So verhielt es sich auch bei einem 50-jährigen Patienten aus Afghanistan, der mit Engegefühl in der Brust zu ihm in die Praxis kam. „Er war organisch völlig gesund“, erzählt Dr. Subin.
„Ich habe noch nach 25 Jahren gelegentlich Albträume"
„Allerdings war er schwer traumatisiert. Er war mit seinen beiden Töchtern aus Afghanistan geflohen, weil die Taliban gedroht hatten, die Mädchen mit Säure zu verätzen und zu verbrennen.“ Dr. Subin hörte zu und erfuhr, dass der Mann die Fenster seines Zimmers verhängt hatte und sich von der Außenwelt abkapselte. Er brauchte keine Herzmedikamente, sondern Antidepressiva. Seine eigene Fluchtgeschichte erleichtert es Dr. Subin, sich in diese Patienten einzufühlen. „Ich selbst habe noch nach 25 Jahren gelegentlich Albträume. Ich weiß, wie hartnäckig Angst sein kann.“
Unter den Flüchtlingen spricht es sich meist rasch herum, wo es Ärzte gibt, die ihre Muttersprache sprechen. „Meine Fachrichtung ist dabei völlig zweitrangig“, erzählt der Kardiologe. „Doch bis sie mich finden, irren sie manchmal lange durch die Stadt. Das sollte man anders organisieren.“
Dr. Subin schwebt vor, dass insbesondere Hamburger Ärzte, die selbst aus den Fluchtländern stammen, mobile Sprechstunden direkt in den Erstaufnahmeeinrichtungen anbieten sollten. „In meinem Freundes- und Kollegenkreis sind mindestens 40 Ärzte, die selbst als Flüchtlinge aus Afghanistan hierher gekommen sind. Ich bin überzeugt, dass sie ebenso helfen möchten wie ich. Dies ist eine besondere Situation, da müssen wir handeln.“