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Warum in die Ferne schweifen?

Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

Präsenztagungen: Trotz Masken und Abstand eine Gelegenheit zur Begegnung und zum Austausch. Präsenztagungen: Trotz Masken und Abstand eine Gelegenheit zur Begegnung und zum Austausch. © master1305 – stock.adobe.com; MT
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Eine Präsenztagung zu besuchen, bietet in Zeiten der Coronapandemie eine angenehme Abwechslung – und Gelegenheit, über den Tellerrand der Beschränkungen hinauszublicken.

Letztes Wochenende habe ich möglicherweise etwas Sinnloses gemacht ... Nein, ich habe nicht versucht, mit einem Teelöffel das Meer auszuschöpfen, und bin auch nicht mit Steinen im Rucksack in die Hochalpen gewandert. Ich war auf einer Fortbildung und Tagung für Reisemedizin! Und das jetzt, wo es doch kaum noch Möglichkeiten zu einer Fernreise gibt! Noch dazu war es eine richtige, echte Tagung – nicht eine virtuelle im Internet.

Ich gebe zu, dass es zunächst andere gute Gründe gab, diese Konferenz zu buchen, wie den, dass am Veranstaltungsort eine liebe Freundin wohnt, die just an diesem Wochenende Geburtstag feierte. Aber die wichtigste Motivation für mich war: Es war endlich wieder eine Präsenzveranstaltung. Mit Live-Vorträgen von richtigen, lebendigen Referenten, in einem Kongresssaal mit realen Kollegen. Mit der Möglichkeit für persönliche Begegnungen, mit Gesprächen und Diskussionen – von Mensch zu Mensch, nicht mit einem virtuellen Wesen auf meinem PC-Bildschirm.

Anfangs war es wirklich eher merkwürdig, sich wieder in eine Liste einzutragen, für Fortbildungspunkte den Klebezettel aus der Tasche zu suchen. Wo hatte ich den bloß vor dem Lockdown hingesteckt? Mittlerweile kenne ich meine 15-stellige Fortbildungsnummer durch häufiges Eintragen am PC allerdings fast schon auswendig.

Es war auch ungewohnt, an der Anmeldung freundlich begrüßt und eingewiesen zu werden. Ein Handout zu erhalten, das ich nicht selber ausdrucken musste. Und in einen Kongresssaal zu gehen mit vorbereiteten Getränken am Platz ... Kurz: Es war fast so wie früher, allerdings nicht mehr als so selbstverständlich empfunden. Und natürlich galt es, die Hygieneregeln einzuhalten: große Abstände zwischen den Sitzplätzen, im Kongresshaus der Mund-Nasen-Schutz, Desinfektionsmittel am Eingang und auf den Toiletten.

Sicher ist Wissensvermittlung mittels Webinaren möglich und praktisch. Damit lassen sich Reisezeit sowie Hotel- und Fahrtkosten sparen. Und die Folien am Bildschirm sind möglicherweise besser zu lesen. Aber es ist auch nur halb so interessant. Und für jemanden aus meiner Generation zumindest besteht immer noch eine gewisse Hemmung, sich am PC an einer Diskussion zu beteiligen. Das ist live einfacher.

Kurz gesagt: Ich habe die Tagung genossen, zumal auch das Wetter mitgespielt hat und die Pausen auf der Terrasse ohne Masken zur Erholung von Nase, Mund und Gesichtshaut beigetragen haben.

Bei dem Tagungsthema selbst stellt sich allerdings schon die Frage, ob es in Zeiten von Reisewarnungen und -beschränkungen sinnvoll ist, sich ausgerechnet auf dem Gebiet der Reisemedizin fortzubilden. Seit März dieses Jahres ging die Zahl derartiger Beratungen in fast allen Praxen ja auf nahezu null zurück.

Da ich, wie fast alle Reisemediziner, selber gerne reise und fremde Länder kennenlerne, hoffe ich natürlich nicht nur im Hinblick auf die Sprechstunde auf baldige vertretbare Lockerungen und die Möglichkeit, wieder die Koffer zu packen. Und dann kann ja ein fundiertes Wissen über die „neue Art zu reisen“ nicht schaden. Für mich und meine Familie, aber auch für meine Patienten. Wir werden andere Vorschriften, andere Hygieneregeln einzuhalten haben, vielleicht auch neue und zusätzliche Impfungen bekommen. Und da Reisemedizin im besten Sinne eine sehr individualisierte Medizin ist, tun wir gut daran, auf dem Laufenden zu bleiben.

Auch wenn auf dieser Tagung vieles noch nicht klar war und wir alle nicht vorhersehen können, was die Zukunft bringt und welche Entscheidungen die Politiker treffen werden: Mir hat die Veranstaltung geholfen, wieder ins Thema zu kommen und mich auf die zukünftigen Beratungsgespräche vorzubereiten.

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