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„Wir werden von den Kassen bestreikt!“

Gesundheitspolitik Autor: Antje Thiel

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Rund ein Monat nach dem Honorarkompromiss auf Bundesebene warten Hamburgs Vertragsärzte noch immer auf ein akzeptables Angebot der Kassen. Bei einer Vollversammlung der KV Hamburg am 7. November zeigten sie den Kassen die rote Karte.

Es ist ungewöhnlich, dass eine KV ihre Mitglieder zu einer Vollversammlung und zum Protest aufruft. Es ist auch ungewöhnlich, dass diesem Aufruf 1700 Vertragsärzte und ihre Praxisangestellten aus 750 Praxen folgen. Grund für die ungewöhnliche Veranstaltung sind die stockenden Honorarverhandlungen in der Hansestadt und drei Anträge der KV Hamburg an ihre Mitglieder.


Der Verhandlungsstand ist aus KV-Sicht schnell zusammengefasst: „Vier Wochen nach dem Honorarkompromiss auf Bundesebene liegt uns noch kein annehmbares Angebot zur regionalen Ausgestaltung vor“, beschreibt KV-Vorsitzender Dieter Bollmann die Lage. „Die Hamburger Kassen verstehen die Empfehlungen auf Bundesebene als Obergrenze, die sie auf keinen Fall überschreiten wollen.“


Dabei hätten Hamburger Ärzte in den letzten vier Jahren überdurchschnittliche Einbußen hinnehmen müssen: So sei Jahr für Jahr mehr Geld in die psychotherapeutische Versorgung geflossen, das an anderer Stelle wieder eingespart werden musste.


„Auch die Besonderheiten Hamburgs blieben unberücksichtigt, beispielsweise die Tatsache, dass wir als Metropolregion auch viele Patienten aus dem Umland mitversorgen“, kritisiert Bollmann.

Ärzte verlangen außer mehr Geld auch Respekt

In den Mittelpunkt ihrer Forderungen für 2013 stellt die KV daher die Wiederherstellung einer ausreichend finanzierten Basisversorgung, die ein Honorarplus von insgesamt 10 bis 11 % bedeuten würde und folgende Elemente umfassen soll:

•    Förderung der haus- und fachärztlichen Versorgerpraxen,
•    Ausgleich der seit 2008 um 11 % gestiegenen Praxiskosten,
•    extrabudgetäre Bezahlung der Haus- und Heimbesuche,
•    Entlastung der Fachärzte durch die extrabudgetäre Bezahlung der Psychotherapie,
•    Rückkehr zu Bedingungen und Preisen für extrabudgetäre Leistungen aus dem Jahr 2008.


Doch es geht den Hamburger Ärzten nicht nur ums Geld, sondern auch um Respekt, wie der Kinderarzt Dr. Stefan Renz unter donnerndem Applaus betonte: „Wir sind keine Leistungserbringer im Auftrag der Krankenkassen, sondern wir sind Ärzte und Psychotherapeuten mit qualifizierten Praxisteams!“


Der Hamburger HNO-Arzt Dr. Dirk Heinrich, der in jüngster Zeit als Vorsitzender des NAV-Virchow-Bundes und Initiator des Protests der Allianz Deutscher Ärzteverbände von sich reden macht, kritisiert: „Die Kassen sind als Teil der Selbstverwaltung Partner, doch sie verweigern sich ihrer Aufgabe.

Derzeit werden wir von den Kassen bestreikt und nicht etwa umgekehrt!“ Dr. Heinrich erinnert daran, dass das Jahr 2013 in sieben Wochen beginnt: „Die Finanzierung unserer Arbeit muss dieses Jahr beschlossen werden, nicht erst im Februar oder März durch einen Spruch des Schiedsamts!“


Bei so viel Wut im Bauch fiel das Votum der Teilnehmer zu den Anträgen der KV eindeutig aus: Ja, die Vollversammlung verurteilt die Blockadehaltung der Kassen und unterstützt Protestmaßnahmen, bis die Verhandlungsziele der KV erreicht sind.


Ja, die Vollversammlung begrüßt das Ultimatum der KV an die Kassen, bis zum 21.11. ein akzeptables Verhandlungsangebot vorzulegen. Und ja, die Vollversammlung will im Fall des Scheiterns der Verhandlungen eine Urabstimmung über Proteste und Praxisschließungen durchführen.

Protestidee: Praxisteams bilden sich montags fort

Für den Fall, dass die Kassen das Ultimatum verstreichen lassen, gibt es bereits Ideen: ein Umfrage- und Informationsforum auf der Website www.kassen-pressen-praxen-aus.de, gefolgt von verspäteten Beantwortungen von Kassenanfragen bis hin zu ganztägigen Montags-Fortbildungen für alle Hamburger Praxen.


Die Reaktion der Kassen ließ nicht lang auf sich warten: Man hat kein Verständnis für die „überzogenen Forderungen“. Es habe zwei Verhandlungstermine gegeben, zwei weitere seien anberaumt. „Wir stehen zu dem Kompromiss auf Bundesebene“, erklärte Stefanie Kreiss, Sprecherin des vdek Hamburg, stellvertretend für alle Kassen.


Die Forderungen der KV entsprächen einer Honorarsteigerung von weit über 70 Millionen Euro. „Dies ist das Dreifache dessen, was auf Hamburg gemäß der Einigung auf Bundesebene entfallen würde.“

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