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Wissenschaftsrat wünscht Doktortitel nur bei Erkenntnisgewinn

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

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Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg – einst mit Doktortitel, jetzt ohne – hat die Empörung um Plagiate bei Dissertationen hochkochen lassen. Nun regt der Wissenschaftsrat allgemein Änderungen bei der Doktorandenbetreuung an und kritisiert insbesondere die Qualität von Doktorarbeiten in der Medizin.

In einer Anhörung im Bundestagssausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung verwies Professor Dr. Stefan Hornbostel auf Schätzungen, nach denen von den rund 25 000 Promotionen, die jährlich abgelegt werden, mindestens 600 auf unrechtmäßige Weise erworben werden. Der Professor vom Bonner Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung bezeichnete als Kern des Problems die Betreuung von Doktoranden und speziell jener, die nicht in einen universitären Forschungskontext eingebunden sind.

Der Bonner Jura-Professor Dr. Wolfgang Löwer, Sprecher der Beratungs- und Vermittlungseinrichtung „Ombudsmann für die Wissenschaft“, verwies darauf, dass neben Plagiaten auch die Manipulation von Daten ein Problem ist.

SPD und Grüne wollen Betrug sanktionieren

Im Bundestag liegen derzeit zwei Anträge aus der Opposition zum Thema vor. Die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen und von der SPD fordern, Betrug bei Promotionen vorzubeugen und ggf. zu ahnden. Die SPD-Fraktion kritisiert, dass die zuständigen Stellen zurzeit eher zurückhaltend auf Anzeichen für wissenschaftliches Fehlverhalten reagieren und Sanktionen für Promovierte und Habilitierte eher gering ausfallen.

Während Studierende für das Vortäuschen von Prüfungsleistungen Geldstrafen von bis zu 50 000 Euro zahlen müssten, würden bei wissenschaftlichem Fehlverhalten von Promovierten oder Habilitierten nicht selten lediglich Rügen erteilt und/oder die Publikationen zurückgezogen, heißt es im SPD-Antrag.

Angesichts des großen öffentlichen Drucks hat jetzt der Wissenschaftsrat in einem Positionspapier Vorschläge zur Qualitätssicherung bei Promotionen gemacht. „Die  Qualität der Promotion müssen neben den einzelnen Betreuerinnen und Betreuern auch die Universitäten als Träger des Promotionsrechts mitverantworten“, erläutert der Vorsitzende des Wissenschaftsrats Professor Dr. Wolfgang Marquardt. Soll heißen: Die Doktorandenausbildung muss stärker in kollegialer Verantwortung wahrgenommen werden. Nicht einzelne Hochschullehrer, sondern ein Promotionsausschuss trifft nach formalen Standards die Auswahl der Doktoranden. Danach obliegt einem Promotionskomitee entsprechend dem angloamerikanischen „thesis committee“ deren fachnahe Betreuung – idealerweise von der Rekrutierung bis zur Verteidigung.

Unter dem Standard der Naturwissenschaften

Der Wissenschaftsrat übt in seinem Positionspapier explizit Kritik an Doktorarbeiten in der Medizin: Das wissenschaftliche Niveau der studienbegleitenden Doktorarbeiten entspreche „in der weit überwiegenden Zahl der Fälle nicht den Standards der Doktorarbeiten anderer naturwissenschaftlicher Fächer“.

Es wird deshalb empfohlen, „den Doktorgrad in der Medizin nur für solche Dissertationen zu verleihen, die einen substanziellen Beitrag zum wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt leisten und deren Ergebnisse in einer international anerkannten Zeitschrift publiziert werden“.

Bewertungsspektrum wird nicht ausgeschöpft

Auch hält der Wissenschaftsrat, der Bund und Länder bei der Weiterentwicklung des Hochschulsystems berät, bei sog. publikationsbasierten Promotionen eine Beschränkung auf die Notenstufen „bestanden“ und „mit Auszeichnung“ für konsequent, da das bisherige Bewertungsspektrum nicht ausgeschöpft wird.

Schon 2004 hatte sich der Rat in einem Positionspapier zur Universitätsmedizin zu medizinischen Promotionen geäußert und empfohlen, Medizinstudenten mit der Approbation die Berufsbezeichnung „Medizinischer Doktor“ (MD) zu verleihen.Im letzten Studienjahr sollten sie zudem eine nicht experimentelle Abschlussarbeit vorlegen müssen, deren Qualität für eine Dissertation entscheidend ist. Die Promotion werde schließlich nur noch für Leitungsfunktionen und bei forschungsbezogenen Tätigkeiten als notwendig angesehen. 

Das Internetportal „VroniPlag“ listet die Fehltritte Prominenter in wissenschaftlichen Arbeiten auf. Gestürzt darüber sind inzwischen Juristen ebenso wie Politiker und Ärzte. Von „vorzeigbaren Resultaten“ spricht die Jury, die der Webseite „GuttenPlag Wiki“ den Grimme-Preis verliehen hat. Neben dem Exverteidigungsminister waren vor allem die beiden FDP-Europaabgeordneten Silvana Koch-Merin und Jorgo Chatzimarkakis sowie Edmund Stoibers Tochter Veronica Saß Prominente, denen in diesem Jahr ihr Doktortitel aberkannt wurde.

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