Vorhaltepauschale Ausgabenneutrale Neuregelung im Hausarzt-EBM soll und wird wenig verändern

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Die Vorhaltejahrespauschale soll die GOP 03040 des EBM erstezen und bringt in diesem Zuge neue zu erfüllende Kriterien mit sich. Die Vorhaltejahrespauschale soll die GOP 03040 des EBM erstezen und bringt in diesem Zuge neue zu erfüllende Kriterien mit sich. © Klaus Eppele – stock.adobe.com

Der Bewertungsausschuss hat die Regeln für die ab 2026 gültige Vorhaltepauschale im Hausarzt-EBM beschlossen. Der Wust an Kriterien wirkt unübersichtlich. Ist überhaupt ein Blumentopf zu gewinnen? Hier ein Überblick, eine Kalkulation und eine Einschätzung.

Der Beschluss des Bewertungsausschusses (BA) zur Vorhaltepauschale beinhaltet ein recht kompliziertes Abrechnungskon­strukt. Praxischefinnen und -chefs bietet das zwei Optionen: Entweder sie lassen die Sache einfach laufen und überlassen es dem KV-Computer, die Pauschale, ggf. mit Zu- oder Abschlägen, zu ergänzen. Oder sie setzen sich mit den Details der EBM-Regelung auseinander und rechnen selbst.

Die „Grund“-Vorhaltepauschale

Der hausärztlichen Abrechnung fügt die KV weiterhin automatisch einmal im Quartal für jeden kurativen Fall die Gebührenordnungsposition (GOP) 03040 hinzu. Das ist die „Zusatzpauschale zu den GOP 03000 und 03030 für die Wahrnehmung des hausärztlichen Versorgungsauftrags“, sofern in dem Quartal bei der Patientin oder dem Patienten keine Leistungen nach dem sog. K.O.-Katalog erbracht und abgerechnet wurden. 

Die Bewertung der GOP 03040 sinkt allerdings 2026 von 138 auf 128 Punkte. Bei weniger als 400 Behandlungsfällen erfolgt unverändert ein Abschlag um 13 Punkte (115 Punkte), bei mehr als 1.200 Fällen im Quartal bleibt es beim Aufschlag von 9 Punkten (137 Punkte).

Das heißt weiterhin: Ein einziger Fall am Quartalsende, der fehlt oder nicht dazukommt, kann an der Schwelle von 1.200 Fällen zu einem Minderhonorar von 1.339,60 Euro oder bei 399 Fällen zu 642,85 Euro weniger führen (Punktwert 2025).

Ein Hammer ist das neue Kriterium „Impfungen“: Wer im Quartal nicht mindestens zehn Schutzimpfungen durchführt, dem wird die Vorhaltepauschale um 40 % gekürzt. Dabei werden kleine wie große Praxen gleich behandelt. Bei 399 Fällen beträgt die Kürzung 2.274,68 Euro, zwischen 400 und 1.200 Fällen 2.538 bis 7.614 Euro sowie bei 1.201 Fällen 8.156,69 Euro. Da sich das auf das Quartal bezieht, können die bei Impfungen üblichen jahreszeitlichen Schwankungen nicht ausgeglichen werden. Folglich wird eine Praxis, die übers Jahr hinweg leitliniengerecht ausreichend impft, in einem Quartal aber eine „Delle“ hat, trotzdem sanktioniert. Auch wird ein „Impfhonorarstreik“ der Niedergelassenen, falls die Kassen wieder einmal kein angemessenes Impfhonorar zahlen wollen, kaum durchzuhalten sein, wenn Quartal für Quartal die Pauschale um 40 % gekürzt wird.

Die „Belohnungs“-Vorhalte­pauschalen

Die „Grund“-Vorhaltepauschale kann durch einen gestaffelten Zuschlag angehoben werden, wenn eine Praxis eine Mindestzahl an definierten GOP abrechnet. Bei zwei bis sieben erfüllten Kriterien beträgt der Aufschlag 10 Punkte, bei mindestens acht Kriterien 30 Punkte. Von der KV werden dementsprechend einmal im Behandlungsfall zur GOP 03040 die GOP 03041 bzw. 03042 zugesetzt.

Die finanziellen Auswirkungen zeigt Tabelle 1. Man erkennt, wie der BA die gesetzliche Auflage, dass die neue Vorhaltepauschale insgesamt nicht zu Mehr- oder Minderausgaben führen darf, umgesetzt hat: Unabhängig von der Fallzahl verlieren Praxen, die nur die GOP 03040 schaffen. Praxen, bei denen auch die GOP 03041 zum Ansatz kommt, bewegen sich in einem Neutralbereich. Wer die GOP 03040 und 03042 erreicht, erzielt Gewinne. Ein klassischer Verschiebebahnhof.

Tab. 1: Vorhaltepauschale mit Zu- und Abschlägen*
FallzahlPunkte-FormelKonstellation + 10 ImpfungenHonorar in Euro ab 2026Honorar in Euro 2025
399128−13=115„Grund“-Vorhaltepauschale GOP 030405.6866.181
400 – 1.2001286.345 – 19.0366.841 – 20.523
1.201128+9=13720.39121.880
399128-13+10=125„Belohnungs“-Pauschale 1 GOP 03041 (2–7 Kriterien)6.1816.181
400 – 1.200128+10=1386.841 – 20.5236.841 – 20.523
1.201128+9+10=14721.88021.880
399128-13+30=145„Belohnungs“-Pauschale 2  GOP 03042 (>7 Kriterien)7.1706.181
400 – 1.200128+30=1587.832 – 23.4976.841 – 20.523
1.201128+9+30=16724.85721.880

* Vergleich alt/neu mit Punktwert 2025 · 
Quelle: BA-Beschluss vom 19.8.26, Berechnungen von Dr. Gerd W. Zimmermann

Die „Zwangs“-Kriterien

Welche Stufe der neuen Vorhaltepauschale man schafft, hängt davon ab, wie viele von zehn Kriterien man erfüllt. Wenn die Praxis zwei bis sieben Kriterien erfüllt, setzt die KV die um 10 Punkte höher dotierte GOP 03041 an, bei mindestens acht Kriterien die mit einem Zuschlag von 30 Punkten bewertete GOP 03042.

An dieser Stelle fängt dann neben der Abrechnung das Rechnen an. In Tabelle 2 sind die Kriterien dargestellt, die prozentual erfüllt sein müssen (bezogen auf eine Durchschnittspraxis mit 1.000 Fällen). Da man die Fallzahl erst am Ende des Quartals kennt, muss man aufpassen, dass man wegen einer unverhofften kurzfristigen Fallzahlvermehrung eine Quote nicht verfehlt. Besuche z. B. müssen bei 5 % aller Fälle erbracht werden. Dabei werden neben den klassischen GOP 01410, 01411, 01412, 01413 und 01415 auch die Besuche im Rahmen einer Kinderfrüherkennungsuntersuchung (GOP 01721), der NäPA (GOP 03062, 03063) und der MFA (GOP  38100, 38105 einschließlich der NäPA-Zuschläge nach GOP 38202 und 38207) mitgezählt. Der Besuch im organisierten Bereitschaftsdienst nach GOP 01418 hingegen zählt nicht.

Bemerkenswert bei der Liste der Kriterien ist, dass dort die Impfungen erneut aufgeführt sind. Wer das „Grundkriterium“ von zehn Impfungen im Quartal erfüllt, kann darauf aufbauen. Bei 1.000 Behandlungsfällen sind dann im 1. bis 3. Quartal zusätzlich noch 60 Impfungen zu schaffen, im 4. Quartal noch 240, was als ambitioniert angesehen werden kann. Eine „Hinterlist“ ist der Umstand, dass mit der Kleinchirurgie und der Sonografie auch Kriterien aufgenommen wurden, die nicht der Entbudgetierung unterliegen; hier erhalten die Kassen eine steigende Leistungsmenge zum Budgetpreis.

Fazit: Wer die GOP 03041 schaffen will, muss mindestens zwei Kriterien erfüllen. Eine hausärzt­liche BAG wäre z. B. mit 20 leicht zu erbringenden Lungenfunktionsprüfungen im Neutralbereich von Tabelle 1 und müsste keine Verluste befürchten. Wer mehr will, muss sechs weitere Kriterien schaffen. Das ist nicht einfach. Es bieten sich die erweiterten Sprechstundenzeiten an, die man für die geforderte Anzahl an Leistungen auch brauchen wird. 50 Hausbesuche sind zwar zeitaufwändig, aber machbar. Unproblematisch sind die 120 geriatrischen Leistungen, wenn man jede Patientin bzw. jeden Patienten ab 70 Jahren mit Pflegegrad und einem weiteren geriatrischen Kriterium aufnimmt. 

Tab. 2: Kriterien für den Zuschlag nach GOP 03041/03042
KriteriumQuote (%)Anzahl bei 1.000 Fällen
Haus- und Pflegeheimbesuche (GOP 01410, 01411, 01412, 01413, 01415, 01721, 03062, 03063, 38100, 38105, ggf. zzgl. 38202, 38207)550
Geriatrische/palliativmedizinische Versorgung (GOP 03360, 03362, 03370, 03371, 03372, 03373, 30980, 30984)12120
Kooperation Pflegeheim (GOP 37100, 37102, 37105, 37113, 37120)110
Schutzimpfungen gemäß Anlage 1 der Schutz­impfungsrichtlinie des G-BA. Es zählt die Anzahl der Impfstoffe, z. B. bei Mehrfach-Impfung7 im 1.–3.Quartal
25 im 4. Quartal
70
250
Kleinchirurgie/Wundversorgung/postoperative Behandlung (GOP 02300, 02301, 02302, 02310, 02311, 02312, 02313, 31600)330
Ultraschalldiagnostik Abdomen/Schilddrüse (GOP 33012, 33042)220
Technische Leistungen: Langzeitblutdruckmessung (03324), Langzeit-EKG (03322, 03241, Belastungs-EKG (03321), Spirografie (03330)330
Videosprechstunde (GOP 01450)110

Ebenfalls als Kriterien zählen: 

  • Status einer hausärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) oder die Teilnahme an Qualitätszirkeln,
  • Angebot von mindestens 14-täglich stattfindenden Sprechstunden von mindestens 60 Minuten am Mittwoch nach 15 Uhr und/oder Freitag nach 15 Uhr und/oder an mindestens einem Werktag nach 19 Uhr und/oder vor 8 Uhr.

Entbudgetierte Leistungen versprechen mehr Wirkung

Nicht jede Praxis hat das Equipment für die technikgebundenen Leistungen, etwa für die Videosprechstunde oder ein Sonografiegerät. Letzteres muss auch noch eventuell nicht kostendeckend betrieben werden. Bleiben noch die 30 kleinchirurgischen Leistungen, die budgetiert bezahlt werden, die Kooperation mit einem Pflegeheim, wofür man einen Vertrag braucht, und die Impfungen, die aber selbst für eine durchschnittlich große Praxis kaum Jahr für Jahr zu schaffen sein werden.

Bei der Vorhaltepauschale dürfte sich somit für die Mehrzahl der Praxen beim Honorar nichts ändern. Man kann das Thema also abhaken und sich dem tatsächlichen Mehrwert im neuen Hausarzt-EBM zuwenden: den einzelnen entbudgetierten Leistungen.

Medical-Tribune-Bericht

aktualisiert am 27.08.2025 um 12:00 Uhr