Bürokratie, Termine, Patientenwünsche Wer bestimmt Ihren Praxisalltag?

Praxisführung Autor: Ingrid Belser-Schweigler

Kennen Sie das? Viele Wünsche und Anforderungen werden von außen an Sie herangetragen und Sie empfinden immer weniger Freude an Ihrem Beruf. Nebensächlichkeiten, E-Mails und Bürokratie nehmen einen Großteil Ihres Alltags in Anspruch. Für die wichtigen "eigentlichen" Aufgaben fehlt es oft an Zeit und Energie. Dem können Sie mit klaren Strukturen und verbindlicher Organisation entgegensteuern.

Schauen wir auf die "Zeitdiebe", die in Workshops oder Umfragen ganz vorne stehen:

  • E-Mails
  • Telefon
  • Überquellender Schreibtisch
  • Unterbrechungen
  • Besprechungen

E-Mails

Lassen Sie sich nicht von Informationen und E-Mails überrollen. Werden die E-Mails von Ihrem Personal genauso vorsortiert und bearbeitet wie Briefpost, gelangt nur noch weniges bis zu Ihnen. Immer noch häufig gehandhabt: eine Mailadresse für alle Belange. Private Mails gehören jedoch an die private Mailadresse und werden nicht in der Praxis abgerufen. Legen Sie sich eine gesonderte Praxisadresse zu, die Sie ausschließlich in der Praxis abrufen lassen.

Oft genügen weitere einfache Regeln, um die E-Mail-Fluten zu beherrschen:

  • Für Onlinebestellungen ist es ratsam, eine getrennte Praxisadresse zu nutzen, da Bestellungen häufig ungeliebte Werbebriefe und Newsletter zur Folge haben. Über unterschiedliche E-Mail-Accounts lässt sich die fachliche Korrespondenz mit Patienten und Kollegen von der gewerblichen Post trennen.
  • Legen Sie sich einen guten Spamfilter zu, dessen Blacklist das Personal stetig aktualisiert.
  • Arbeiten Sie in Urlaubs- und Fortbildungszeiten mit sinnvollen Abwesenheitsnotizen. Sie müssen nicht alles lesen, was in zwei Wochen Abwesenheit eingegangen ist. Weisen Sie den Absender freundlich darauf hin, dass Mails, die während Ihrer Abwesenheit eingehen, gelöscht werden, und bitten ihn, sich nach Ihrer Rückkehr erneut zu melden. Sie werden sehen: Vieles hat sich dann bereits "von selbst" erledigt.
  • Regeln Sie die E-Mail-Zeiten. Legen Sie Zeiten fest, in denen Sie Ihre Mails bearbeiten, und halten Sie diese auch ein. Klar, dass eine solche Regel auch für Ihr Personal gilt. So können Sie beispielsweise festlegen, täglich zwischen 14:00 und 14:15 Mails zu bearbeiten.

Telefon

Grundsätzlich gehören Telefonate zum Alltagsgeschäft und sind in erster Linie Aufgabe Ihres Personals. Fachliche oder vertrauliche Anfragen, die Sie selbst beantworten müssen, gehören

auf eine Telefonliste. Wenn Ihre Telefonzeiten klar nach außen kommuniziert werden, kann jeder Kollege und Patient sich darauf einstellen. Das klingt am Telefon dann so: "Ich leite Ihre Bitte um Rückruf gerne weiter. Dr. Müller ruft Sie nach 16:00 Uhr zurück." Je klarer Sie all Ihre Aufgaben strukturieren, umso transparenter wird der Ablauf für alle Beteiligten. Solange Sie sich an die vereinbarten Zeitfenster halten.

Überquellender Schreibtisch

Auch wenn Ihr Schreibtisch nicht gerade überquillt, weil Sie im Patientengespräch noch Ihr Gegenüber sehen wollen, im Hinterkopf ist er bei den meisten mehr als voll: Arztbriefe, Rückrufe, Fachzeitschriften, weitere Informationen – eine Menge Aufgaben, die das Alltagsgeschehen belasten. Da hilft nur eine gute Planung!

  • Entscheiden Sie schnell über die Relevanz einer Aufgabe. Was innerhalb von maximal zwei Minuten erledigt werden kann, sollte sofort getan werden. Dazu zählt auch, eine Entscheidung zu treffen, wer die Aufgabe erledigt, und sofort zu delegieren.
  • Legen Sie Zeiten fest: Wann diktieren Sie Briefe, wann lesen Sie Fachliteratur, was passiert mit ungelesenen Zeitschriften? Dies ist nicht nur für Sie selbst erleichternd. Ihre Arbeitsorganisation wirkt sich auf Ihre Mitarbeiterinnen aus. Je transparenter die Strukturen und je klarer die Anweisungen oder Aufgaben, desto effektiver sind die Ergebnisse.

Die "Eisenhower Methode", benannt nach US-Präsident Dwight D. Eisenhower, bietet eine effektive Unterstützung (Abb. 1). Eisenhower unterscheidet in dringende und wichtige Aufgaben. Die wichtigen Aufgaben dienen der Erreichung eines Ziels (z. B. gut funktionierende Abläufe, fachliche Fortbildung, gutes Arbeitsklima). Dringende Aufgaben müssen sofort erledigt werden. Dies können in einer Arztpraxis Notfälle sein, die jeder anderen Aufgabe vorgezogen werden müssen. Jedoch Hand aufs Herz: Wie häufig kommen Notfälle vor? Welche Ihrer dringend zu erledigenden Aufgaben ist wirklich plötzlich und unerwartet? Meist wird eine Aufgabe dringend, weil sie hinausgeschoben wurde. Unter wichtig fällt somit das Terminieren und Organisieren, damit Aufgaben nicht deshalb zum "dringenden Fall" werden, weil ihre Erledigung immer "gerade nicht gepasst" hat. Wer prokrastiniert, landet früher oder später im Hamsterrad. Die Schwerpunkte für gelingende Selbstorganisation liegen in den Feldern B und C. Ein überwiegender Teil der anstehenden Aufgaben kann delegiert werden. Wofür sonst haben Sie Personal eingestellt?

Unterbrechungen

Unterbrechungen kommen vor. Sie können, je nach momentaner Situation und innerer Einstellung, als Abwechslung willkommen geheißen werden oder äußerst störend wirken. Ganz zu verhindern sind sie nicht. Doch Sie werden bemerken: Wenn der Arbeitsalltag, wie oben beschrieben, für alle transparent und verbindlich strukturiert wird, wenn jede/r Beteiligte weiß, wann welche Aufgaben erledigt werden müssen, nehmen Unterbrechungen deutlich ab.

Besprechungen

Bereiten Sie Gespräche und Besprechungen gut vor. Gleichgültig, ob es sich um Mitarbeitergespräch, Teamtreffen, Personalgespräch oder Kollegenfortbildung handelt: Nur wer vorbereitet und mit einem klar definierten Ziel in eine Unterredung geht, wird mit einem Ergebnis abschließen.

Behalten Sie die Hoheit über Ihre Zeit. Oder, falls Sie diese bereits verloren haben, übernehmen Sie die Entscheidung wieder. Selbstbestimmung erhält die Freude an der Arbeit. Auch anstrengende Arbeit wird positiv erlebt und setzt Energie frei, wenn das Ziel bekannt und selbst bestimmt wurde. Fremdbestimmte Arbeit löst negativen Stress aus, führt zu Frust und belastet.

Zeit kann man nicht sparen. Und da Sie die Zeit nicht sparen können, um an einem anderen Tag mehr davon zu haben, nutzen Sie Ihre Zeit doch gleich für die wichtigen Dinge: Optimieren Sie Ihre Abläufe. Der zusätzliche Zeitaufwand für eine Umstrukturierung zahlt sich aus. Ob mit oder ohne Unterstützung von außen.


Autor:
Zertifizierter Business- und Privatcoach
79117 Freiburg
www.belser-loose.de

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (20) Seite 94-96
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Abb.1: Die "Eisenhower Methode", benannt nach US-Präsident Dwight D. Eisenhower, als Schema zur Arbeitsorganisation Abb.1: Die "Eisenhower Methode", benannt nach US-Präsident Dwight D. Eisenhower, als Schema zur Arbeitsorganisation