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Orthopädische Einlagen Ärzte und Orthopädietechniker kritisieren Onlineversorgung

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

2020 wurden 4,4 Mio. GKV-Patienten mit medizinischen Schuheinlagen versorgt. 2020 wurden 4,4 Mio. GKV-Patienten mit medizinischen Schuheinlagen versorgt. © Christian Bullinger – stock.adobe.com
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Als „digitale Rollator-Revolution“ ordnete das Manager Magazin die erste Onlineversorgung mit orthopädischen Einlagen auf Rezept einer gesetzlichen Kasse ein. Doch nach nicht mal drei Monaten ist das Projekt schon am Stolpern.

„Leider können wir Ihnen derzeit aus rechtlichen Gründen keine Möglichkeit bieten, ärztlich verschriebene Einlegesohlen online zu bestellen. Wir arbeiten aber daran, dass Sie Ihre Schuheinlagen bald wieder bequem vom Sofa aus konfigurieren und nach Hause schicken lassen können.“ Das schreibt die Barmer auf ihrer Website. Der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT) erklärt diese Reaktion mit einer Beanstandung durch das Bundesamt für Soziale Sicherung sowie Abmahnungen.

Mit Wirkung ab dem 18.10.2021 hat die Kasse ihre Kooperation mit dem Hamburger Unternehmen Meevo (Marke craftsoles) vorerst ausgesetzt. Man sei von dem Angebot überzeugt, heißt es nach wie vor. Die Erfahrungen der Versicherten seien „rundum positiv“ gewesen.

Angelegenheit scheint noch nicht ausgestanden zu sein

„Wir sind sehr froh, dass die höchste Aufsichtsbehörde offensichtlich unserer Rechtsauffassung gefolgt ist“, äußert sich BIV-OT-Präsident Alf Reuter in einer Pressemitteilung. „Bei dieser laienhaften Versorgung per Versand und mit Selbstvermessung durch die Versicherten ging es nicht um innovative Versorgungskonzepte, schon gar nicht um digitalen Fortschritt. Es ging nur um Kostensenkung um jeden Preis.“

„Aufgrund der unbefriedigenden Einlassung und rechtlich unpräzisen Kommunikation der Barmer dürfte die Angelegenheit noch nicht vollends ausgestanden sein. Wir gehen davon aus, dass es auch zu schnellen Entscheidungen in der Rechtsprechung kommen wird“, ergänzt Rechtsanwalt Nico Stephan, der die Klagen von Betrieben vor dem Sozialgericht koordiniert.

Die im August eröffnete „eVersorgung“ lief so: Über die Seite craftsoles.de, auf die die Barmer verlinkte, wählte der Versicherte Schuhtyp und Bezug der Einlage aus. Ihm wurde ein Abdruck-Set plus Anamnesebogen zugeschickt. Beides ging per Post zurück. Die danach angefertigten Einlagen trafen kostenfrei zu Hause ein. Beratung erfolgte per Chat, E-Mail oder Telefon.

Sieben orthopädische Vereinigungen, darunter die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, kritisieren die Selbstvermessung mittels zweidimensionalen Abdrucks sowie das Anpassen der zugesandten Einlagen durch den Patienten ohne Fachkontrolle als „hoch fehler­anfällig“. Es bestehe die Gefahr einer Fehlversorgung oder gar sekundären gesundheitlichen Schädigung. Diese Vorgehensweise widerspreche den Forderungen des Hilfsmittelverzeichnisses. Die Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß der Deutschen Diabetes Gesellschaft schrieb Mitte Oktober an den GKV-Spitzenverband wegen des Barmervertrages bzw. einer Ausschreibung der Techniker Krankenkasse: Die Hilfsmittelversorgung für Patienten mit diabetisch-neuropathischem Fußsyndrom solle von der Online-Versorgung ausgenommen werden, denn diese gefährde die Fußgesundheit der Patienten und führe „schlimmstenfalls zu Fußläsionen mit drohendem Amputationsrisiko“.

Nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes wurden 2020 etwa 4,4 Mio. Versicherte mit Einlagen versorgt. Dafür gaben die Kassen 482 Mio. Euro aus.

Medical-Tribune-Bericht

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