Gesundheitscheck im Drogeriemarkt Ärzteverbände laufen Sturm gegen Gesundheitsleistungen der Drogeriekette dm

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Die Blutanalysen sind nicht das einzige neue Standbein der Drogeriekette im Gesundheitsmarkt. Die Blutanalysen sind nicht das einzige neue Standbein der Drogeriekette im Gesundheitsmarkt. © Solarisys – stock.adobe.com

Schnell Cholesterinwerte oder einen Hautcheck erhalten, und zwar mitten in der Drogerie? Mit Telemedizin, KI-Analysen und Laboruntersuchungen steigt dm in das Feld der Gesundheitsleistungen ein. Die Kritik der Ärzteverbände fällt vernichtend aus.

Für ein großes Blutbild muss bald niemand mehr einen Termin in der Hausarztpraxis machen. Stattdessen können Interessierte in den nächsten Drogeriemarkt gehen, sich dort von einer medizinisch geschulten Fachkraft Blut abnehmen lassen und zwei Tage später ihre Ergebnisse mitsamt Erklärung in einer App einsehen. Optional lässt sich eine telemedizinische ärztliche Nachbesprechung buchen. Preis des Ganzen: 9,95 Euro. 

Auf dieses Ziel arbeitet die Drogeriekette dm hin, die ihr Gesundheitsangebot derzeit massiv ausbaut und dabei mit verschiedenen Telemedizin-Dienstleistern kooperiert. Die beschriebene Blutanalyse wird pilotweise in einer Filiale in Karlsruhe angeboten, weitere Märkte sollen folgen. Das Große Blutbild ist dabei nur eine von vielen buchbaren Leistungen. Das Paket „Herz-Kreislauf-System“ (24,95 Euro, 24 Blutwerte) analysiert laut Anbieter Risikofaktoren wie Cholesterin, Entzündungsmarker und Blutfette, um frühzeitig Herz-Kreislauf-Probleme zu erkennen. Das Angebot „Ü35 Gesundheit“ (16,95 Euro, 23 Blutwerte) prüft angeblich „die wichtigsten Blutwerte für Menschen ab 35 Jahren, um altersbedingten Gesundheitsrisiken gezielt vorzubeugen“. Andere Untersuchungen widmen sich dem Diabetesrisiko, Fruchtbarkeit oder Testosteronwerten. 

Die Blutanalysen sind nicht das einzige neue Standbein der Drogeriekette im Gesundheitsmarkt. In den Gängen zwischen Shampoo und Waschmittel sind in ausgewählten Filialen nun auch Terminals für KI-gestützte Augenscreenings oder Hautuntersuchungen zu finden. Die Hautanalysen haben allerdings einen rein kosmetischen Zweck, sind kostenfrei und enden mit Produkt­empfehlungen. Kundinnen und Kunden sollen erfahren, wie anfällig sie gegen UV-Strahlung sind, welche „Bedürfnisse“ ihre Haut hat und wie sie sie „pflegen und schützen“ können. Verantwortlich für die Analyse ist das Telemedizin-Unternehmen dermanostic. Es bietet in einer eigenen App zudem die Möglichkeit, Fotos auffälliger Hautveränderungen hochzuladen und von Hautärztinnen und Hautärzten befunden zu lassen. Einige Krankenkassen bezahlen die Leistung. 

Wie gelangen kritische Fälle in die analoge Versorgung?

Für den Berufsverband der Deutschen Dermatologen sind die Hautuntersuchungen ein Affront. Verbandspräsident Dr.­Ralph von Kiedrowski testete die KI‑gestützte Hautanalyse nach eigenen Angaben bei sich selbst. Er habe bei völlig gesunder Haut die Diagnose „Xerosis cutis“ erhalten, samt vier Produkt­empfehlungen über 30 Euro. Sein Fazit: „So eine Werbe‑Verkaufsmasche hat mit Dermatologie nichts zu tun.“ Er meint, dass rund 30 % der telemedizinisch beurteilten Fälle eine rezeptpflichtige medizinische Behandlung benötigen und 8–10 % überhaupt nicht für Telemedizin geeignet sind. Zudem lasse dm offen, wie Patientinnen und Patienten mit auffälligen Befunden in die „analoge“ Versorgung übergeleitet würden, was die Gefahr von verzögerten Diagnosen berge. 

Auch der Spitzenverband der Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands findet drastische Worte: „Medizinische Diagnostik ist kein Konsumprodukt zwischen Babywindeln und Nagellack“, so SpiFa‑Chef Dr. Dirk Heinrich. Die angebotenen Tests würden auf unregulierte KI‑Auswertungen setzen, die weder einheitlich geregelt noch fachärztlich überprüft seien. 
Christoph Werner, Vorsitzender der Geschäftsführung von dm, begründet den Schritt gegenüber Medien mit dem wachsenden Interesse von Kundinnen und Kunden, länger aktiv zu bleiben und sich mit der eigenen Fitness zu beschäftigen. Man plane auch den Verkauf rezeptfreier Medikamente und apothekengeführter Kosmetik. Dies sei eine „logische Verlängerung“ des Angebots. 

Medical-Tribune-Bericht