Arzthonorar Ärztliche Arbeit ist mehr wert!

Gesundheitspolitik Autor: H. Glatzl

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Alle Jahre wieder entscheidet der Bewertungsausschuss darüber, in welchem Umfang die morbiditätsorientierte Gesamtvergütung angepasst wird. Entscheidende Berechnungsgrundlage bildet der Orientierungspunktwert. Die Krankenkassen stehen hier nach Meinung der kollektivierten Ärzteschaft auf der Bremse. Und die Politik sieht wenig Handlungsbedarf.

Geld oder Leben? Wie lässt sich die ärztliche Leistung fair bewerten? Mit rein ökonomischen Maßstäben kann man Gesundheit nicht kalibrieren, ohne unmenschlich zu werden. Umgekehrt gilt aber gerade hier: Zeit ist Geld – gerade für personalisierte Dienstleistungen, wie sie von Ärzten erbracht werden. Das Marktversagen spiegelt sich in der „Kostenkrankheit“ wider, wie sie deshalb besonders in unserem Gesundheitswesen ausgeprägt ist. Die Rituale um die richtige Bewertung wiederholen sich mit Frust und Ärger für die Betroffenen.

Ärztliche Arbeit wird immer schlechter vergütet

Die Honorierung der Behandlungsleistung der niedergelassenen Ärzte hängt am Orientierungspunktwert. Und der hat im Ergebnis seit Jahren eine negative Reallohnentwicklung zur Folge. Die ärztliche Arbeit wird immer schlechter vergütet. Diese These treibt das Zentralinstitut (ZI) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) seit Jahren um. Deshalb schlägt KBV-Chef Dr. Andreas Gassen vor, den gesetzlichen Auftrag an den Bewertungsausschuss zur jährlichen Festsetzung des Orientierungswertes um das Kriterium der ärztlichen Arbeitszeit zu ergänzen. Er verweist dabei auf die Produktivitäts- oder Reallohnentwicklung, wie sie bereits in den Tarifverträgen für angestellte Ärzte enthalten ist.

Seit 2008, so beklagt Gassen, seien vertragsärztliche Leistungen stetig weniger wert geworden, da die Inflation um 9,5 % gestiegen sei, der Orientierungswert aber nur um 3,6 %. Zur Begründung für den unterdurchschnittlichen Anstieg wird von den Krankenkassen auf die Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsreserven verwiesen. Aber die Arbeitsproduktivität der Vertragsärzteschaft hält mit den abgeforderten Preisnachlässen gerade in der Grundversorgung nicht mit, wie das ZI anhand von Zahlenreihen nachweist. So hat sich der Kostenanteil technischer Leistungen laut ZI-Berechnung seit 2010 zwar von 18,8 % auf 14,7 % verringert. Der Orientierungswert wächst im selben Zeitraum um 3,6 %. Stellt man dem jedoch die Steigerung der Verbraucherpreise seit 2008 mit 10 % und eine Nominallohnerhöhung um 13,8 % entgegen, ergibt sich „ein schleichender Preisverfall ärztlicher Leistungen“, so ZI-Geschäftsführer Dr. Dominik von Stillfried.

Wenig Gehör bei der Politik

Die Politik hält durch die Bank wenig vom Vorschlag der KBV. Ein gutes Auskommen für Ärzte sei wichtig, aber dies nach aktuellem Stand und auch für die Zukunft gesichert. Für die richtige Verteilung sei intern die Selbstverwaltung zuständig, meint Karin Maag von der CDU/CSU-Fraktion. SPD-Ausschusskollegin Sabine Dittmar, vormals niedergelassene Ärztin, erklärt, dass sie sich „mit 12 000 Euro monatlichem Reinerlös immer als gut bezahlt empfunden“ habe. Für Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion, erweist sich die KBV mit dieser Diskussion einen "Bärendienst", denn die ärztliche Vergütung sei seiner Ansicht nach in den vergangenen Jahren stärker als „die gesamtgesellschaftliche Produktivitätsentwicklung“ gestiegen.

Kassen fühlen sich nicht für ein hohes Einkommen der Ärzte zuständig

Brüsk weist Manfred Partsch vom GKV-Spitzenverband die KBV-Wünsche zurück. „Wir sind nicht für den Erhalt der Selbstständigkeit oder eines möglichst hohen Auskommens niedergelassener Ärzte zuständig.“ Solange die Versorgung funktioniere, gebe es keinen Grund zu handeln: „Wir können auch sehr gut mit angestellten Ärzten zusammenarbeiten.“

Von einer Mangelversorgung im niedergelassenen Bereich sei man in Deutschland weit entfernt, vielmehr könne in Ballungsräumen und Städten von einem „Luxusproblem“ gesprochen werden. Mit der Forderung nach einer besseren Vergütung für ärztliche Arbeit beißt die KBV bei den maßgeblichen Entscheidungsträgern auf Granit. Prof. Alexander Karmann, Wirtschaftswissenschaftler an der TU Dresden und Gutachter für das Wirtschaftsministerium zum Thema „Produktivität der Gesundheitswirtschaft“, sieht nur wenig Chancen für einen Sinneswandel:„Der einzige Weg ist Transparenz“ darüber, was ein Arzt eigentlich verdiene – und was er dafür leisten müsse. „Sie müssen die Menschen mitnehmen, wenn sie mehr Geld wollen“, lautet der Appell an die Selbstverwaltung.

Große Unterschiede

Für angestellte Oberärzte errechnet Prof. Dr. Günther Neubauer vom Institut für Gesundheitsökonomie (IfG) in München ein Bruttojahresgehalt von 146 233 Euro als angemessenes Einkommen zur Grundlage für die in der Praxis niedergelassenen Kollegen. Unberücksichtigt bleiben dabei allerdings das unternehmerische Risiko und die Arbeitszeitbelastung. Nimmt man die Einkünfte von Freiberuflern als Maßstab, so rangieren Ärzte mit 124 799 Euro knapp hinter den Zahnärzten mit 125 624 Euro, aber klar vor Rechtsanwälten mit 84 442 Euro.

Die Abwanderung von deutschen Ärzten ins Ausland sieht KBV-Chef Gassen als Reaktion auf die Negativentwicklung beim Honorar. Diese Abwanderungstendenz werde auch nicht durch Zuwanderung aus „kollabierenden Volkswirtschaften“ in Osteuropa ausgeglichen. Ein Stundenlohn von real 53 Euro für niedergelassene Ärzte sei nicht angemessen. Freiberufliche Architekten oder Juristen erhielten ein Mehrfaches. Honorarärzte bestreiten in einer Skala von 65 bis 120 Euro Stundenlohn ihren Lebensunterhalt. Laut Maag verstellt der Blick allein auf die GKV-Vergütung die reale Situation, „weil Ärzte eben anders als sonstige Freiberufler in einem stark regulierten – und damit auch mit weniger wirtschaftlichen Risiken verbundenen – Bereich arbeiten.“ So müssten bei Ärzten auch die Einnahmen durch PKV-Patienten beim Einkommen berücksichtigt werden. Für Gassen ist diese Argumentation nicht nachvollziehbar:„Grundsätzlich muss ein Arzt mit den Einnahmen aus der Behandlung von GKV-Patienten ein gutes Einkommen erwirtschaften. Die PKV hat bei dieser Betrachtung nichts zu suchen.“

Hans Glatzl

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (1) Seite 28-30
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

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