Allgemeinmedizin in Europa Bückware Hausarzt

Gesundheitspolitik Autor: H. Glatzl

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Werden Hausärzte europaweit zur „Bückware“? Diesen Eindruck muss gewinnen, wer die heftigen Diskussionen beim diesjährigen Treffen der Allgemeinmediziner aus insgesamt 35 Staaten Europas einschließlich der Türkei verfolgt hat. Obwohl sich die Qualität der hausärztlichen Versorgung nachweislich in fast allen Mitgliedsstaaten durch die Einführung des Facharzttitels für Allgemeinmedizin nach Abschluss der spezifischen Aus- und Weiterbildung erheblich verbessert hat, bleibt die Rekrutierung von Nachwuchs schwierig. Die EU ziert sich, hier abzuhelfen.

Auf der turnusmäßigen Generalversammlung der Europäischen Vereinigung der Allgemeinmediziner (UEMO) in Berlin berichteten die Mitglieder von ihren Erfahrungen aus den jeweiligen Ländern und beschrieben eine Zuspitzung der Mangelsituation in den Hausarztpraxen. So warnte der UEMO-Präsident Ferenc Hajnal davor, das Problem einer Ost-West-Wanderung von Primärärzten zu ignorieren. Auch in der besten aller GKV-Welten herrscht nicht eitel Freude. „Die Kolleginnen und Kollegen in ganz Europa nehmen lange Arbeitszeiten in Kauf, um die Patienten zu versorgen, und müssen sich zusätzlich mit enormen bürokratischen Belastungen in der Praxis herumschlagen“, beschwert sich der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, bei der Politik.

Wachsendes Unbehagen

Der Hausärztemangel war das zentrale Thema der diesjährigen Zusammenkunft der europäischen Hausärzte. Die Beteiligten wiesen auf gestiegene Anforderungen in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung hin. „Daraufhin haben die allgemeinärzte Europas in allen Mitgliedsländern in den letzten Jahren ihre ärztliche Qualität stetig erheblich verbessert, gerade auch vor dem Hintergrund des ständig wachsenden Anteils der älteren Patienten“, so Weigeldt weiter. In einer Mehrzahl der EU-Mitgliedsstaaten sei ein Facharzttitel nach Abschluss der spezifischen Aus- und Weiterbildung eingeführt worden. Unterstützung erfährt die UEMO-Initiative auch seitens der Politik und Verbände. So hat eine parteiübergreifende Koalition von neun Abgeordneten, 65 Gewerkschaften, NGOs und Gesundheitsverbänden eine Petition an die EU gestartet, um die Einschnitte zu stoppen, die durch die Kreditklemme verursacht werden.

Wichtige Gesetzesänderung

Der Brief zeigt, dass sich die europäischen Gesundheitssysteme bereits in einer schweren Krise befinden. Weitere Kürzungen im Gesundheitswesen und bei den sozialen Diensten hätten katastrophale Folgen für die Zukunft. „Um dem Hausärztemangel europaweit entgegenzusteuern, sind Änderungen in den EU-Richtlinien notwendig, die den Facharzt für Allgemeinmedizin rechtlich gleichrangig neben die bestehenden übrigen Facharztbezeichnungen stellen“, fordert Weigeldt. Leider seien die EU-Richtlinien bislang nicht in diesem Sinne angepasst worden. Die Mitglieder der UEMO appellierten dringend an alle Entscheidungsträger im EU-Parlament, diesen längst fälligen Schritt zu vollziehen um im Rahmen der Direktive 2005/36/EC den Artikel 28 zu streichen und im Artikel 25 den Facharzt für Allgemeinmedizin einzuführen.


Hans Glatzl

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (1) Seite 69
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.