Digitale Meldepflicht sorgt für Frust DEMIS-System überfordert Praxen – Kritik wächst

Gesundheitspolitik Autor: Petra Spielberg

Seit 2023 sind Mitteilungen ans Meldeportal DEMIS grundsätzlich für alle Leistungserbringer verpflichtend. Seit 2023 sind Mitteilungen ans Meldeportal DEMIS grundsätzlich für alle Leistungserbringer verpflichtend. © Gorodenkoff - stock.adobe.com

Pflichtsystem eingeführt, doch kaum genutzt: Das digitale Meldeportal DEMIS entpuppt sich für viele Arztpraxen als digitales Minenfeld – wenn sie überhaupt davon wissen. Es sei ein System, das eher belaste als entlaste, meint ein Hausarzt.

Seit Anfang 2023 müssen Ärztinnen und Ärzte bestimmte Erregernachweise elektronisch ans RKI melden. Grundlage hierfür ist das von der Gematik entwickelte Meldeportal DEMIS. Das Verfahren wird jedoch noch nicht flächendeckend genutzt. Registrierung und Handling bereiten einigen Leistungserbringern Schwierigkeiten. Mit einer Petition wollen sie auf das Problem aufmerksam machen.

Am 16. Juni 2020 meldete ein Labor im Allgäu erstmals den Nachweis eines SARS-CoV-2-Erregers über das „Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz“, kurz DEMIS, ans zuständige Gesundheitsamt. Dies bildete den Auftakt zur sukzessiven Umstellung der Meldung von Infektionen gemäß Infektionsschutzgesetz, wie Keuchhusten, Masern, Mumps, Kinderlähmung, Röteln oder Windpocken, von Fax auf Computer.

KBV informiert: Praxen können nun mitmachen

Seit Januar 2023 ist die Nutzung von DEMIS grundsätzlich für alle Leistungserbringer verpflichtend (meldung.demis.rki.de). Der Fokus lag nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) zunächst jedoch auf Laboren und Krankenhäusern. Inzwischen sind dem Institut zufolge ein Großteil der Labore und Kliniken sowie alle Gesundheitsämter an DEMIS angebunden. Anfang März informierte die KBV die Ärzteschaft darüber, dass DEMIS nunmehr auch für Arztpraxen freigeschaltet ist.

Bisher sind laut RKI-Pressesprecherin Susanne Glasmacher über 5.000 Meldungen (ohne COVID-19-Nachweise) zu 70 meldepflichtigen Erregern via DEMIS abgesetzt worden. Die wenigsten davon stammten aus Arztpraxen.

Dass die Umstellung auf DEMIS bei den Niedergelassenen recht schleppend anläuft, hat für den in Bad Bramstedt niedergelassenen Allgemeinarzt Cenk Sayir einen triftigen Grund: „Viele Kolleginnen und Kollegen wissen weder von der technischen Umsetzungspflicht noch davon, wie konkret die Anmeldung und Meldung über DEMIS ablaufen soll.“

Für die Anmeldung am Meldeportal stünden verschiedene Optionen bereit, klärt Verena Carstensen, Referentin für Kommunikation bei der Gematik, auf. Demnach können sich Praxen entweder mit dem elektronischen Praxisausweis (SMC-B-Karte) in Verbindung mit dem „Gematik-Authenticator“ über die Telematik-Infrastruktur (TI) bei DEMIS anmelden, sofern sie die entsprechende Software installiert und konfiguriert haben.

Oder aber sie nutzen die BundID, eine vom Bundesministerium des Innern und für Heimat vergebene individuelle Identifikationsnummer zum digitalen Austausch von Informationen zwischen Bürgern und Organisationen, Einrichtungen, Behörden und öffentlichen Institutionen. Erforderlich hierfür ist die Einrichtung eines BundID-Kontos, für das sich Ärztinnen und Ärzte wahlweise mit ihrem Online-Personalausweis oder einem Elster-Zertifikat des Finanzamtes authentifizieren können. Voraussichtlich ab dem 4. Quartal 2025 sollen laut RKI für Ärztinnen und Ärzte ohne TI-Zugang Anmeldungen zudem über „Mein Unternehmenskonto“ (MUK) möglich sein.

Meldeportal für die Praxen

Das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) ermöglicht seit 2020 die elektronische Weiterleitung von Informationen zu meldepflichtigen Infektionskrankheiten ans zuständige Gesundheitsamt. Ziel ist eine schnellere, sicherere und vollständigere Übermittlung der Daten, um Infektionsschutzmaßnahmen zeitnah einleiten zu können und den Aufwand für die Meldungen zu reduzieren. Für Arztpraxen steht zur Anbindung an DEMIS derzeit primär das Meldeportal zur Verfügung: meldung.demis.rki.de.

Kontakt für Fragen: demis-support@rki.de, Telefon: 0800 000 3041 (Mo.-Fr., 9–17 Uhr).

Nach Meinung von Sayir sind diese Meldewege jedoch viel zu kompliziert und aufwändig, zumal sämtliche Daten überdies händisch in das Online-Meldeformular eingegeben werden müssten. Dies erfordere insbesondere bei häufigen Erregern wie RSV und Noroviren einen unverhältnismäßigen Zeitaufwand, der von der eigentlichen Patientenversorgung ablenke. „Gerade in einer ohnehin angespannten Versorgungslage brauchen wir digitale Lösungen, die entlasten, statt belasten und sich problemlos in den Praxisalltag integrieren lassen“, so Sayir.

Meldung ans Gesundheitsamt per KIM ist nicht geplant

In seiner Petition fordert der Hausarzt: Meldedaten sollten direkt aus den Praxisverwaltungssystemen (PVS) übernommen werden können. Die Meldung sollte digital mit dem elektronischen Heilberufsausweis bestätigt werden und der Versand sicher und standardisiert über das Kommunikationssystem im Gesundheitswesen (KIM) erfolgen. Eine Meldung an die Gesundheitsämter per KIM ist nach Aussage von Carstensen jedoch nicht geplant, da zu den Meldepflichtigen auch Leistungserbringer zählten, die nicht oder noch nicht an die TI angeschlossen sind und eine flächendeckende Anbindung der Gesundheitsämter an die TI und KIM derzeit nicht gegeben sei. „Deshalb musste eine übergreifende Lösung gefunden werden, die aus diesem Grund nicht mit dem eAU-Prozess vergleichbar ist“, so die Gematik-Sprecherin.

Das Portal werde schrittweise weiterentwickelt, verspricht Carstensen. In naher Zukunft soll es möglich sein, dass Arztpraxen die Meldungen direkt aus ihrer Praxissoftware an eine DEMIS-Schnittstelle senden können. Das Portal ordne dann die jeweilige Meldung automatisch dem zuständigen Gesundheitsamt zu, vergleichbar Labormeldungen.

Das RKI verweist darauf, dass die Schnittstellen zu DEMIS bereits Anfang 2024 veröffentlicht wurden. Zu der Frage, wann praxistaugliche Softwarelösungen unter Einbindung der PVS flächendeckend für alle Arztpraxen verfügbar sein werden und ob dies zusätzliche Investitionen seitens der Ärztinnen und Ärzte erfordere, wollen sich die Softwarehersteller aktuell allerdings nicht äußern. Frank Bremser, Pressesprecher der Compugroup, betont aber, dass man den Wunsch nach einfachen und gut in den Praxisalltag integrierbaren Lösungen voll und ganz nachvollziehen könne. 

Der Support des RKI wird noch wenig genutzt

RKI-Pressesprecherin Glasmacher weist zudem darauf hin, dass Ärztinnen und Ärzte bei fachlich-inhaltlichen und technischen Fragen den DEMIS-Support des RKI nutzen können. Bisher hätten den Service allerdings nur wenige Anfragen erreicht.

Sayirs Anliegen nach einem praxistauglichen Prozedere unterstützten bis Redaktionsschluss rund 170 Ärztinnen und Ärzte. Mitte Oktober soll die Petition an das RKI, die Gematik, das Bundesministerium für Gesundheit und die gemeinsame Selbstverwaltung der KVen und Ärztekammern übergeben werden.
Hier geht’s zur Petition: openpetition.de/!demis

Quelle: Medical-Tribune-Bericht